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Carola Schaaf-Derichs als Mitglied des BBE-Sprecher*innenrates und Jan Duensing als Engagement-Botschafter 2017 sind beide eng mit der Kampagne „Engagement macht stark!“ verbunden. Im Interview sprechen sie mit uns über ihr Engagement, über kommunikative Herausforderungen in ihrer Arbeit und über ihre Wünsche für die künftige Entwicklung der Kampagne.

EMS!: Frau Schaaf-Derichs, seit vielen Jahren begleiten Sie die Kampagne und sind zudem Veranstalterin der Berliner Engagementwoche. Wie ging es vor 15 Jahren los?

Carola Schaaf-Derichs: "Engagement macht stark!" war von Anfang an das Motto für die Aktionswoche des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement (BBE) und ich darf sagen, ich war vom ersten Tag an dabei. 2001 haben wir mit anderen Akteurinnen und Akteuren in Berlin zunächst einen sogenannten Berliner Freiwilligentag veranstaltet, das war quasi der Startpunkt – auch bundesweit. In den Jahren darauf kam der BBE-Geschäftsführer Dr. Ansgar Klein auf mich zu und ich habe dem BBE dann das Format eines einzelnen Mitmach-Tages vorgestellt. Es war schnell klar, dass ein Tag nicht für eine so große Netzwerkstruktur wie das BBE ausreicht und so kam das Wochenformat zustande.

Schon durch die damalige Kampagne haben wir sehr viel Sichtbarkeit für bürgerschaftliches Engagement und niederschwellige Mitmach-Gelegenheiten für verschiedene Akteursgruppen geschaffen. Und das ist glaube ich auch der Job, den wir als Landesfreiwilligenagentur haben, dass wir so etwas initiieren und anregen. Toll ist natürlich, dass wir als Veranstalter der Berliner Engagementwoche ein Netzwerkpartner von „Engagement macht stark!“ sein können. So tragen wir jedes Jahr mit mehreren hundert Aktionen zu einem bundesweit guten Auftritt bei.

 

EMS!: Herr Duensing, auch Sie sind eng mit der Kampagne verbunden – 2017 waren Sie Engagement-Botschafter. Wie haben Sie das erlebt?

Jan Duensing: Ich gebe zu, dass ich mir im ersten Moment überhaupt nicht so richtig vorstellen konnte, was ich da eigentlich tun soll. Aber ich finde das Format mit den Botschafter*innen sehr gut. Für mich bedeutete das vor allem, dass ich die Initiative „Feiner Fußball“, die ich mitgegründet habe, repräsentieren konnte. Ich wollte nicht als jemand herausgestellt werden, der ganz toll ist. Mir ging es nicht um Personenkult, sondern immer darum, für meine Sache zu werben, das Thema nach vorne zu bringen.

Feiner Fußball engagiert sich gegen Diskriminierung und gegen Homo-, Bi- und Transphobie im Fußball in der Region Dresden und Ostsachsen in Zusammenarbeit mit regionalen Vereinen und bringt sich ein für ein diskriminierungsfreies Miteinander im Fußballsport. Die Kampagne hat mir die Möglichkeit gegeben, nochmal andere Räume zu erschließen, also das Thema in einem Setting zu präsentieren, das ich so wahrscheinlich andernfalls nicht erreicht hätte.

 

EMS!: Und wie hat Ihnen die Rolle als Engagement-Botschafter geholfen, Ihr Thema in die Öffentlichkeit zu tragen?

Jan Duensing: Das Botschafter*innenformat ist eine enorm gute Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen, Menschen kennenzulernen, die für die eigenen Anliegen ganz hilfreich sein können und die man aber nicht mal eben so trifft. Wir mussten mit „Feiner Fußball“ erstmal überhaupt Bewusstsein dafür schaffen, dass unser Thema wichtig ist und in den allgemeinen Diskurs gehört. Das heißt, in den Dialog treten über Verbände, über Medienarbeit und natürlich auch über ein Netzwerk wie das BBE und die Kampagne „Engagement macht stark!“ kommunizieren.

Der Einblick in bestimmte Strukturen – also wie auch politische Dinge dann bisweilen funktionieren, wenn man sich im Bereich von gesellschaftlichem Engagement bewegt – war ein großes Glück für mich ganz persönlich.

Auch vor vielen Menschen mein Thema voranzubringen. Wir waren beispielsweise damals beim Sommerfest des Bundespräsidenten im Schloss Bellevue eingeladen. Ingo Zamperoni von den Tagesthemen moderierte das Ganze und wenn er dir dann ein Mikrofon vor die Nase hält und fragt: „Was machen Sie denn hier?“, dann hört einem schlagartig ein ganze Menge Menschen zu. Das war einfach eine großartige Chance und Gelegenheit zu sagen: „Hier, das ist mein Anliegen und das finde ich wichtig!“. Und plötzlich hatte die Facebook-Seite von „Feiner Fußball“ ganz viele neue Likes.

 

EMS!: Die Engagement-Botschafter*innen stehen jeweils für einen der jährlich wechselnden Themenschwerpunkte der Kampagne. Warum ist es wichtig, dass die Kampagne auch inhaltlich Themen setzt, Frau Schaaf-Derichs?

Carola Schaaf-Derichs: Zum einen ist es wichtig, dass sich Kampagnen möglichst jährlich wiederholen, damit sich viele Menschen darauf beziehen können, sich erinnern und auch ein bisschen vorplanen können. Wenn kein Wechsel der Themen, keine Aktualität oder Brisanz da ist, dann könnte unser Anliegen relativ schnell im Mainstream der anderen Kommunikation untergehen. Das BBE ist immer gut beraten, am Puls der gesellschaftlichen Entwicklung zu sein und einen Seismograf dafür darzustellen, worum es gerade geht, wo Brennpunkte und Themen der Auseinandersetzung sind.

Jan Duensing hat gerade über das Thema Diskriminierung im Sport gesprochen. Solche Themen findet man leider im Mainstream der öffentlichen Kommunikation relativ selten. Das ist der Unterschied, den wir machen müssen. Wir müssen auch über unbequeme Dinge in der Gesellschaft sprechen. Wenn wir es schaffen, dass wir diesen Themen und ihren Akteurinnen und Akteuren eine Bühne verschaffen, dann haben wir viel erreicht.

 

EMS!: Dieses Sichtbarmachen von Engagierten, tollen Projekten und wichtigen Themen ist seit Beginn ein zentrales Ziel der Kampagne. In 15 Jahren hat sich an der Form der Darstellung aber bestimmt auch einiges verändert.

Carola Schaaf-Derichs: Am Anfang haben wir bei den Aktionswochen immer sehr stark das Empowerment nach vorne gestellt. „Mach mit!“, „Sei dabei!“ – das ist sozusagen der Standard. Auch „Make a difference" ist etwas, das wir von den angelsächsischen Kampagnen gezogen haben. Also zeigen, was ist der Unterschied, wenn du etwas tust, deine persönliche Note, im guten Sinne.

In der Zwischenzeit kann man sagen, wir müssen auch aktiv auf die problem- oder konfliktträchtigeren Themen zugehen. Wenn wir in diesem Jahr über Zusammenhalt reden, müssen wir an dem Thementag aufzeigen, was passiert tatsächlich in Bezug auf gesellschaftliche Spaltung und wie sieht das konkret aus. Wie kann man dem begegnen und warum sprechen sich Menschen gegen eine diversitätsoffene Gesellschaft aus? Dazu liegen meines Erachtens auch durchaus Aussagen aus wissenschaftlicher Forschung vor, die wir diskutieren sollten.

Ich glaube, nichts ist schwieriger als der zivile Umgang miteinander, die Offenheit, die ebenbürtige Begegnung von Mensch zu Mensch im Alltag und die feinen Unterschiede, die das manchmal ausmacht. Das sind für mich ganz wesentliche Themen, die ganz sensibel im Alltag von jedem Menschen stattfinden, denen man aber an diesem Thementag eine vertiefte Aufmerksamkeit schenken kann. Zivilgesellschaft ist kein in sich gegebenes Faktum, sondern es muss jeden Tag ähnlich wie Demokratie erneut diskutiert, hergestellt, pro-aktiv gelebt werden. Sich hinzusetzen und zu sagen „Wir empowern ein bisschen“, die Zeit ist vorbei. Die neue Zeit, in der wir jetzt leben, heißt: Einstehen für die Dinge, die wir tun, sehr klar nach vorne gehen und dabei auch im positiven Sinne streitbar zu sein.

 

EMS!: Frau Schaaf-Derichs und Herr Duensing, die ersten 15 Jahre sind nun vorbei. Was wünschen Sie der Kampagne für die nächsten Jahre?

Carola Schaaf-Derichs: Eine Kampagne klingt immer so nach „Jetzt und Hier“ und danach ist alles vorbei. Eine Kampagne braucht Kontinuität. Das glaube ich auf alle Fälle. Denn es geht immer darum, auch die neu entstehenden jungen Initiativen, die es vielleicht noch nicht aus der Ecke vorgelockt hat oder die vielleicht bisher gesagt haben "Was habe ich denn damit zu tun?" zu gewinnen. Ich glaube, das ist die Herausforderung. Deswegen braucht man diese wiederkehrende, langfristige und nachhaltige – auch dokumentarisch nachvollziehbare – Form einer Kampagne.

Es geht nicht um Namedropping oder darum, dass besonders tolle Leute dabei sind. Sondern es geht wirklich um die Bekanntheit in der Fläche, die sich eine Kampagne erarbeiten muss. Also auch kleine Initiativen vor Ort mitzunehmen und zu zeigen, dass sie wichtig sind. Das ist noch eine Menge Arbeit. Das Kampagnenteam ist absolut leistungsstark und tatkräftig, aber wenn die Aktionswoche immer mehr wachsen soll, müsste auch das Team definitiv mitwachsen können.

Ich habe aus unserem Gespräch für mich mitgenommen, dass wir die Botschafter*innen, die einst dabei waren, nicht aus den Augen verlieren sollten. Ich hatte jüngst eine Beratung einer großen Region, die sich an uns gewandt hatte. Die machen ganz viele Mitmachaktionen, aber fragen sich, was ist denn am Tag danach? Dies ist der Nachhaltigkeits-Aspekt – also: was bleibt eigentlich, wenn die Kampagne zu Ende ist? Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt, wo wir hinschauen sollten. Wie können wir vielleicht noch weitere, durchaus auch kommunikative Stränge entwickeln, mit denen wir Menschen rund ums Jahr ein wenig begleiten. Das ist eine Aufgabe, die man erst einmal stemmbar machen und in die man gute Ideen einbringen muss. Wir haben viele Netzwerkpartner*innen und gute, erfahrene Mitwirkende – das wäre schön, da noch ein bisschen mehr zusammen zu tragen.

Jan Duensing: Ich möchte zunächst betonen, dass ich auch immer den Eindruck gewonnen habe, dass das Kampagnenteam sehr schlagkräftig ist und eine hervorragende Arbeit macht. Ich bin auch sehr dafür, die kleinen Initiativen mitzunehmen, und würde diese gerne um die großen ergänzen. Ich fände es außerdem schön, Menschen aus ehemaligen Kampagnen mit einzubinden, weil die haben ja auch noch ein Leben danach.

 

Carola Schaaf-Derichs, Mitglied des BBE-Sprecher*innenrates
Jan Duensing, Engagement-Botschafter 2017