Ursprünglich aus dem Instrument der Dorferneuerung entstanden, werden Dorfmoderator*innen mittlerweile in vielen Kontexten eingesetzt. So finden Bürger*innen mit ihrer Expertise Gehör und werden in wichtige Prozesse vor Ort einbezogen.
Lieber Herr Prof. Bombeck, Sie lehren in Rostock Dorf- und Regionalentwicklung. Ein wichtiger Teil Ihrer Arbeit ist aber auch, dass Sie seit 1991 als Dorfmoderator in ganz Mecklenburg-Vorpommern unterwegs sind. Wie kam es dazu?
Als ich begann, gab es noch überhaupt keine Ausbildungen zur Dorfmoderation - man qualifizierte sich im Tun über staatlich geförderte Planungsmaßnahmen – Anlässe damals waren die Dorferneuerungen. Das waren Prozesse, die in Ost- wie Westdeutschland flächendeckend durchgeführt wurden und mit denen Ingenieure beauftragt wurden. Irgendwann kam im Zuge dieser Dorfentwicklungsplanung die Forderung auf, auch partizipative Elemente mit reinzunehmen und das war der Moment, indem man begann die Bewohner*innen aktiv in den Dorfentwicklungsprozess mit einzubeziehen. Durch die Moderation der Arbeitskreise habe ich viele Erfahrungen gesammelt und lerne bis heute stetig dazu.
Was ist das Besondere an dem Ansatz?
Im Grunde genommen sollte Dorfmoderation nichts Besonderes mehr sein, sie sollte selbstverständlich sein. Wir merken, dass wir mit den alten Strategien und Instrumenten nicht weiterkommen, die im Wesentlichen darin bestanden Geld in Infrastrukturen, Projekte fließen zu lassen. Veränderung wurde für die Menschen vor Ort, aber nicht mit ihnen geplant. Hier hat ein Umdenken eingesetzt, zumal die stattfindenden gesellschaftlichen Wandlungsprozesse mit Geld allein nicht kompensiert werden können.
Wir müssen sehr viel mehr auf Menschen setzen und das heißt, Anlässe suchen, sich auf die Menschen einzulassen und das, was von ihnen kommt, sehr ernst zu nehmen und nach Möglichkeit zu befördern. Dabei helfen die Methoden der Dorfmoderation und das nachhaltige Arbeiten mit den Menschen vor Ort.
Welche zentrale Erfahrung oder Empfehlung würden Sie jemandem mit auf den Weg geben, die/der vor Ort einen solchen Prozess starten will?
Erstmal einmal: Die Arroganz eines Hochschulabsolventen ablegen, denn die wahren Expert*innen sind unsere Gegenüber. Die Menschen, die im ländlichen Raum leben, sind die Expertinnen und Experten fürs Land. Ein klares Selbstverständnis der/des Moderierenden ist eine wichtige Grundvoraussetzung für das Gelingen des Prozesses. Das kann beispielsweise heißen, dass wir erstens als Dienstleistende kommen, zweitens Hilfestellung geben können und drittens keine Patentrezepte in der Tasche haben können, denn die Maßanzüge müssen sich die Menschen vor Ort selber schneidern.
Eine weitere ganz wichtige Komponente ist, sich Zeit zu nehmen. Man muss allen Beteiligten die Chance geben, sich in das, was man von Ihnen will, reinzudenken. Und auch Veränderungsprozesse brauchen Zeit. Denn wir kommen natürlich mit qualitativen Ansprüchen, wir haben Ziele, die vielleicht manchmal im Dorf noch gar nicht zuhause sind. Die dürfen wir nicht in irgendeiner Form verordnen, sondern müssen den Menschen die Gelegenheit geben, diese Ziele, diese qualitativen Vorstellungen von Zukunftsgestaltung nachzuvollziehen und zu ihren eigenen zu machen. Das ist also ein Geben und Nehmen, das auf einer sehr vertrauensvollen Ebene stattfinden muss.
Prof. Dr. Henning Bombeck, Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät der Universität Rostock, Professur Siedlungsgestaltung und ländliche Bauwerke