In 15 Jahren kann viel passieren. Ideen entstehen, werden weiterentwickelt oder verworfen. Erik Rahn, der „Engagement macht stark!“ entwickelt und bis 2010 verantwortet hat, und Dieter Rehwinkel, derzeitiger Leiter der Kampagne, im Gespräch über die Entwicklungen und Herausforderungen der bundesweit größten Freiwilligenoffensive.

Erik Rahn: Als wir damals die Kampagne entwickelt haben, ging es uns darum, zumindest einmal im Jahr dem bürgerschaftlichen Engagement die Öffentlichkeit zu verschaffen, die es unserer Meinung nach verdient. An dieser Grundidee hat sich doch bis heute nichts verändert, oder?

Dieter Rehwinkel: Nein, das bleibt die Grundidee der ersten Stunde. Die Treiber zivilgesellschaftlicher Entwicklungen verdienen Unterstützung und mehr öffentliche Aufmerksamkeit. Allerdings ist das Engagement komplexer und vielfältiger geworden. Die vielen neuen freiwilligen Initiativen, die immer häufiger auch ohne Mitgliederausweise stattfinden, kennzeichnen moderne und gesellschaftlich notwendige Engagementfelder. Dafür gibt es einen größeren Instrumentenkasten unserer Kampagne.

Erik Rahn: Allerdings hört sich das einfacher an, als es ist. Das bürgerschaftliche Engagement, vielen auch noch heute eher als Ehrenamt bekannt, ist ein ganz komplexes Thema. Diese Vielschichtigkeit abzubilden und gleichzeitig allgemeinverständlich zu sein, ist eine echte Herausforderung. Es ist schwer, es allen recht zu machen. Deshalb finde ich auch den von der ersten Partneragentur entwickelten Claim „Engagement macht stark!“ nach wie vor gut. Den habt ihr ja beibehalten und er trifft das Wesentliche. Etwas freiwillig tun für Andere, für die Gemeinschaft und selbst davon profitieren, darum geht´s doch…

Dieter Rehwinkel: Genau. Es geht nach wie vor um die Sichtbarmachung, die damit verbundene Würdigung des vielfältigen Engagements. Wir befinden uns leider meistens im Aufmerksamkeitsschatten der Medien, dem Thema Engagement fehlen die sogenannten Nachrichtenfaktoren. Obwohl bürgerschaftliches Engagement vor allem zwei Qualitäten hat, die gesellschaftlich und politisch gerade heute wichtig sind: es ist zum einen ein im Verborgenen sich vollziehendes Massenphänomen mit mehr als einem Bevölkerungsdrittel aktiv mitwirkender Bürgerinnen und Bürger in zahlreichen für das Leben von Gesellschaft und Demokratie entscheidenden Handlungsbereichen. Und es ist zum anderen gleichsam die Alltagswirklichkeit der Demokratie, die ganz anders ist als das auf Elite und Skandal zentrierte Bild von der Gesellschaft in den Medien. Hier setzte und setzt die Kampagne mit ihrer "Woche des bürgerschaftlichen Engagements" an.

Erik Rahn: Der Ansatz war und ist zum einen, gute Beispiele zu zeigen und den Engagierten echte Anerkennung und Wertschätzung zu geben. Deshalb war uns die Auftaktveranstaltung mit ihrer Medienwirkung auch wichtig. Die muss hochrangig besetzt sein, um die Bedeutung des Anliegens deutlich zu machen. Der Anspruch war in die Hauptnachrichtensendungen zu kommen, was auch gelungen ist. Eine Zeitlang hatten wir eine Partnerschaft mit der Organisation Children for a better world, die in dem Rahmen ihre Preisverleihung für junges Engagement eingebracht hat. Das gab gute Aufmerksamkeit.

Dieter Rehwinkel: Diese strategischen Partnerschaften haben wir ausgebaut. Mit unseren jährlich wechselnden Themenschwerpunkten zeigen wir unterschiedliche Facetten der großen Bandbreite des Engagements und füllen die Themen mit Hilfe diverser Partnerorganisationen. Das sind NGOs und Behörden ebenso wie Stiftungen und Unternehmen. „Gemeinsam sind wir stark!“, so könnte man den Kampagnenslogan hinsichtlich des stetig wachsenden Unterstützungskreises abwandeln.

Erik Rahn: Gut so! Wir sollten das bürgerschaftliche Engagement eben nicht als reines „Wohlfühlthema“ behandeln. Es soll deutlich werden, dass unsere Gesellschaft auf die Beiträge der engagierten Menschen angewiesen ist. Dafür sind aber bestimmte unterstützende Rahmenbedingungen notwendig. Wir wollten eine frische, aber keine oberflächliche Kommunikation. Die ambitionierte Agenda des BBE muss gewissermaßen verständlich übersetzt werden.

Dieter Rehwinkel: „Grau ist alle Theorie, maßgebend is auf‘m Platz.“, formulierte mal ein Fußballtrainer. Es kommt darauf an, die Praxis, das Engagement der Einzelnen nachahmenswert und motivierend zu präsentieren. Die Kampagne ist ein fachlich renommiertes Anerkennungsformat der Engagementpraxis. Dazu habt ihr schon 2004 die richtigen und nachhaltigen Grundlagen geschaffen, die wir bis heute kontinuierlich weiterentwickeln. Danke dafür! Was wünschst du denn einer Kampagne, deren Gründer du bist, für die Zukunft?

Erik Rahn: Danke für die Blumen, aber die Idee hat viele Mütter und Väter. Ich wünsche mir, dass es euch und uns gemeinsam gelingt, die gesellschaftliche Relevanz des Engagements noch stärker deutlich zu machen. In den vergangenen Jahren hatte das Thema durch die sogenannte Flüchtlingskrise auch medial eine richtige „Konjunktur“. Das können wir mit einer Kampagne gar nicht so erzeugen. Aber wir müssen die Menschen, die sich weiter engagieren, unterstützen und ihnen den Rücken stärken, auch wenn sie politisch Gegenwind bekommen. Das scheint mir wichtig. Allerdings sollten wir nicht vergessen, dass das Ganze auch Spaß macht und die Menschen emotional bewegt. Diese Seite müssen wir ebenso zeigen.

 

Erik Rahn, Kampagnenleitung 2004 - 2010
Dieter Rehwinkel, Kampagnenleitung seit 2011