Im Vordergrund sitzt ein Mann in einem grüne Parker seitlich zur Kamera. Die Kapuze verdeckt seine Augen. Er hält in der einen Hand eine brennende Zigarette, in der anderen Hand einen Plastikbecher. Im Hintergrund sind leicht verschwommen zwei Personen zu erkennen, die in Richtung des Mannes schauen und blaue Westen der Bahnhofsmission tragen.

Bahnhofsmission Essen © BM Deutschland e.V.

Wohnen ist ein Menschenrecht, so steht es in der Charta der Vereinten Nationen. Die Kommunen in Deutschland sind dazu verpflichtet, Menschen ohne Wohnung zu unterstützen. Doch tatsächlich leben zu viele Menschen in Deutschland auf der Straße oder sind in schwierigen Situationen. Und die Corona-Pandemie macht diese Probleme noch schlimmer.

Zunächst einmal eine Erklärung: Die meisten Menschen ohne Wohnung sind nicht obdachlos. Viele von ihnen leben seit Jahren in betreuten Wohnheimen. Das heißt, dass nur sehr wenige Menschen „auf der Straße leben“ und somit obdachlos sind.

Doch auch wenn die meisten Menschen ohne Wohnung in einem Wohnheim leben können: Sie leben in einer sehr schwierigen Situation. Diese Menschen schaffen es nur selten wieder in ein geregeltes und sicheres Leben zurück. Denn sie kämpfen gegen Probleme, die sie nicht lösen können: Vermieter*innen wollen oft nicht an Menschen ohne Wohnung vermieten. Ohne Wohnung finden diese Menschen aber keinen Job. Und ohne Job, haben sie auch kein Geld, um eine eigene Wohnung zu bezahlen.

Wie geraten Menschen in diese Situation?

In den meisten Fällen haben Menschen nicht freiwillig entschieden, ihre Wohnung zu verlieren. Viele Menschen ohne Wohnung haben eine Trennung, eine Krankheit oder Gewalt erlebt. Oder sie haben plötzlich ihren Job verloren. Und das hat dazu geführt, dass sie ihre Wohnung verloren haben. Haben diese Menschen Ihre Wohnung verloren, fühlen sie sich hilflos. Sie denken, dass sie nie wieder eine Wohnung oder ein Job finden werden und geben dann jede Hoffnung auf.

Trennung, Krankheit, Gewalt oder eine Kündigung kann viele von uns treffen. Man könnte es damit vergleichen, wie wenn eine Person beim Gehen stolpert und hinfällt. Auch das kann jedem passieren. Manchmal braucht diese Person dann Hilfe, weil sie es nicht alleine schafft, wieder aufzustehen. Diese Hilfe können dann Versicherungen, gespartes Geld, Familie oder Freunde sein. Dann ist das Aufstehen leichter. Doch hier liegt genau das Problem: Immer mehr Menschen haben diese Hilfe, diese Absicherung nicht. Sie leben allein und haben kein gespartes Geld.

Die Situation wird in der Corona-Pandemie noch schlimmer. Denn viele Menschen verdienen wegen Corona noch weniger Geld oder haben sogar ihren Job verloren. Besonders betroffen sind vor allem Menschen, die vor der Pandemie schon wenig Geld verdient haben. Corona hat also dazu geführt, dass besonders arme Menschen noch ärmer werden und noch mehr Probleme bekommen. Zwar gab es vom Staat eine Einmal-Zahlung von 150 Euro, doch nach über einem Jahr Pandemie hilft das oft auch nicht weiter.

Früher haben Menschen Pfand-Flaschen gesammelt und gebettelt, um ein bisschen mehr Geld zu haben. Doch heute hilft das in Städten fast überhaupt nicht mehr. Denn die Mieten für Wohnungen werden immer teurer. Es gibt zu wenig Wohnungen für Menschen, die nicht so viel Geld haben. Die Konkurrenz für Wohnungen wird außerdem immer größer. Und da so viele Menschen nach Wohnungen suchen, muss man viel Geld haben, um eine Wohnung zu bekommen: Vermieter*innen verlangen zum Beispiel eine hohe Kaution und wollen wissen, ob Mieter*innen einen festen Arbeitsplatz mit guter Bezahlung haben. Frankfurt am Main ist ein dramatisches Beispiel davon. Hier kosten auch kleine Wohnungen sehr viel Geld. Eine Zwei-Zimmer-Wohnung kostet zum Beispiel oft 1.000 Euro kalt-Miete, Heizkosten, Strom und Kosten für Internet kommen noch dazu. Auch für Menschen, die etwas mehr Geld haben, werden die hohen Mietpreise ein immer größeres Problem. Für Menschen, die keine Wohnung haben, obdachlos sind oder nur sehr wenig Geld verdienen, ist dieses Problem schon fast ausweglos.

Die Corona-Pandemie verschlechtert die Situationen vieler Menschen. Hatten sie vorher schon kaum Hoffnung, so verlieren sie jetzt noch mehr Kraft. In den Bahnhofsmissionen sehen wir, wie vieles noch länger dauert als vorher: Es dauert, bis Anträge eingereicht werden können, man bekommt viel später Termine, Menschen müssen länger in ungünstigen, schlechten Situationen bleiben. Drogensüchtige Menschen müssen länger auf einen Platz in einer Klinik warten. Arbeitslose Menschen müssen länger auf Vorstellungstermine warten oder auf den Bescheid für Sozial-Leistungen. Für diese Menschen bedeutet das, länger auf eine bessere Zukunft zu warten. Es bedeutet auch, länger darauf zu warten, wieder ein Teil der Gesellschaft zu werden.

Und hierbei ist Inklusion ganz wichtig. Denn Inklusion bedeutet auch, Menschen ohne Wohnung Hoffnung zu geben und sie zu unterstützen, wenn sie Hilfe brauchen. Genau das tun ganz viele Freiwillige jeden Tag in den Bahnhofsmissionen.

Aber auch die Politik ist gefragt. Sie muss dafür sorgen, dass

  • mehr bezahlbare Wohnungen gebaut werden
  • Menschen eine vernünftige Bezahlung für ihre Arbeit bekommen
  • mehr Klinikplätze für psychisch Kranke Menschen entstehen
  • mehr finanzielle Unterstützung für freiwilliges Engagement in den Bahnhofsmissionen zur Verfügung gestellt wird.



Autor:

Der Diakon Carsten Baumann ist im Vorstand der Deutscher Evangelischen Bahnhofsmissionen e.V. Außerdem leitet er die Bahnhofsmission Frankfurt am Main.