Portrait von Katja Urbatsch.

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Katja Urbatsch ist Mitgründerin und Geschäftsführerin der gemeinnützigen Organisation ArbeiterKind.de mit Hauptsitz in Berlin. Sie studierte Amerikanistik, Betriebswirtschaftslehre sowie Kommunikationswissenschaft. Im Moment arbeitet Urbatsch nebenberuflich an ihrer Dissertation in der Amerikanistik.

ArbeiterKind.de möchte Menschen unterstützen, die als Erste in der Familie studieren. Waren Sie selbst die erste Studentin in Ihrer Familie?  

Ja, ich und mein Bruder waren die erste Generation, die studiert hat. Der Studienstart war ein Kulturschock. Die Leute um mich herum hatten ganz andere Hintergründe. Ich hatte Praktika bei „Die Glocke“ und bei „Radio Gütersloh“ absolviert und nicht bei der FAZ oder der Süddeutschen. Diese Erfahrung hat uns geprägt und das hat dann dazu geführt, ArbeiterKind.de zu gründen.   

Sie haben es auf die Universität geschafft. Wie war Ihr Bildungsweg bis dorthin? 

Ich hatte Glück, dass sich eine Lehrerin für mich eingesetzt hat. Als ich dann auf dem Gymnasium war, habe ich die schlechteren Voraussetzungen gespürt. Meine Deutschlehrerin sagte mir zum Beispiel, ich sei zu ehrgeizig. Akademikerkinder hören so etwas sicher nicht oft. Und da war so viel Unwissen: Ich wusste zum Beispiel nichts von Stipendien.  

Im Mai 2023 feierte ArbeiterKind.de sein 15-jähriges. Hat sich im Laufe der Zeit etwas verändert?  

Unsere erste Idee war, in Schulen zu gehen und Informationsveranstaltungen für Schüler*innen durchzuführen. Heute unterstützen wir neben Schüler*innen auch Student*innen, Doktorand*innen und Berufseinsteiger*innen. Im ersten Jahr nach der Gründung haben wir bereits etwa 10.000 Menschen unterstützt, jetzt sind wir bei ungefähr 30.000 jährlich.   

Wie kann man sich diese Unterstützung vorstellen?  

Wir gehen in Schulen und berichten, wie es ist, -zu studieren, welche Vorteile das hat und wie man ein Studium finanzieren kann. Unsere ehrenamtlich Engagierten erzählen einfach über ihre persönlichen Erfahrungen. Auf Bildungsmessen oder bei Studieninformations-Tagen sind wir mit unseren Infoständen und wir bieten Workshops für Lehrende an. Unsere Ehrenamtlichen treffen sich regelmäßig. Zu diesen Treffen kommen auch Menschen, die sich für ein Studium interessieren. Einige Gruppen bieten offene Sprechstunden an. Dort können Schüler*innen und Student*innen einfach hinkommen und Fragen stellen.

Wie organisieren sich die Ehrenamtlichen vor Ort? 

Wir haben 80 lokale Gruppen mit mehreren tausend Engagierten. Einige machen mal bei einer Veranstaltung mit oder betreuen einen Infostand. Das ist uns ganz wichtig, dass sich jede*r bei uns nach ihren*seinen Möglichkeiten engagieren kann. Der „harte Kern“ besteht etwa aus 1.000 Menschen, die die Gruppen organisieren. Die Aktionen werden aber von mehr Leuten unterstützt. 

Haben die Eltern studiert, fangen 79 Prozent der Kinder ein Studium an. Aus Familien ohne akademischen Hintergrund schaffen es nur 27 Prozent an die Uni. Wie erklären Sie sich das und was kann ehrenamtliches Engagement hier bewirken? 

Es ist immer schwierig, wenn man etwas anderes als die Familie machen will. Man schaut sich um: Was haben meine Eltern, Tanten, Onkels oder Großeltern gemacht? Das prägt oft die Vorstellung, was beruflich möglich ist. Dann kommen noch weitere Hürden, wie Vorurteile dazu: zum Beispiel, dass Kinder aus nichtakademischen oder finanzschwachen Familien es im Gymnasium angeblich kaum schaffen können.  

Ehrenamtliches Engagement kann hier helfen. Sowohl Eltern als auch Lehrer*innen, Schüler*innen und Student*innen treffen Menschen, die Vorbilder sein können und Mut machen. Alle können sehen: Es ist möglich, andere haben es auch geschafft. Man fühlt sich nicht mehr so allein. 

Welche Geschichten bei ArbeiterKind.de sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?  

Anfangs habe ich einen jungen Mann getroffen, der gerne studieren wollte. Aber es war schwierig, die Mutter war alleinerziehend. Ich habe dann eine Bafög-Beratung gemacht und er hat erfolgreich BWL studiert. Oder eine junge Frau, die ein Pflegekind war. Die eigenen Kinder sollten studieren dürfen, für sie war das nicht vorgesehen. Auch hier konnten wir unterstützen.  

Wer fördert Ihre Arbeit? 

Wir werden von verschiedenen Bildungs- und Wissenschaftsministerien gefördert, von Stiftungen und Unternehmen. Aber wir bekommen auch private Spenden. 

Welche Projekte wollen Sie mit ArbeiterKind.de als nächstes angehen? 

Aktuell wird ein Studium wieder teurer. Und immer weniger können sich das leisten. Viele junge Menschen mit finanzschwächerem Hintergrund wollen ihre Eltern nicht belasten und gehen lieber arbeiten. Das ist nicht gut. Hier arbeiten wir an ganz konkreten Unterstützungskonzepten. Auch wollen wir im ländlichen Raum präsenter werden. 

 

Autorin: Ramona Ehret