Immer wieder diskutieren wir, warum wir in Deutschland zwar ein großes Problembewusstsein für den Klimaschutz haben, aber nicht genug dafür tun. Aus psychologischer Sicht geht es bei der Bekämpfung des Klimawandels nicht vordringlich darum, dass wir als einzelne Konsument*innen in unseren Haushalten etwas tun. Wenn wir unsere Verantwortung als Bürger*innen wirklich ernst nehmen, müssen wir uns für Zusammenhänge interessieren und uns für einen umfassenden Wandel stark machen.

Unser Lebensstil ist problematisch, aber als Konsument*innen ist unser Handlungsspielraum oft begrenzt

Deutschland ist der größte Emittent von Treibhausgasen in Europa; unser CO2-Fußabdruck lag im Jahr 2017 bei 11 Tonnen und damit um 20 Prozent über dem, was wir uns in den Klimaschutzzielen für 2020 vorgenommen hatten. Das Umweltbundesamt differenziert dabei fünf etwa gleich große Konsumbereiche: Heizung und Strom, Mobilität, Ernährung, sonstiger Konsum und öffentliche Emissionen. Wollen wir aus psychologischer Sicht beurteilen, wo wir am besten ansetzen, sollten wir verstehen, welche Rahmenbedingungen und welche Verhaltensweisen konkret zu diesen hohen CO2-Emissionen beitragen. In vielen der Bereiche können die meisten zwar zum Klimaschutz beitragen und tun dies auch bereits, etwa weniger Fleisch essen, oder im Haushalt Energie sparen. In vielen Bereichen ist es aber für viele schwierig oder gar unmöglich, etwa beim Energieverbrauch fürs Heizen in einer Mietwohnung.

Wo anfangen – bei uns selbst oder am System?

Die Umweltpsychologie beschäftigt sich seit 30 Jahren damit, was uns als Konsument*innen davon abhält uns umweltschonend(er) zu verhalten (z.B. Gifford et al. 2018). Grob zusammengefasst sind es neben den fehlenden Handlungsmöglichkeiten das mangelnde Bewusstsein von Handlungsmöglichkeiten (z.B. gelingt Energiesparen im Haushalt besser durch effizientere Geräte als durch Lichtausschalten), das Überschätzen von unmittelbaren Kosten (z.B. bei energetischer Sanierung), die Normalität von klimaschädlichem Handeln, die uns unser soziales Umfeld signalisiert (z.B. beim Reisen oder beim Kauf des Autos), oder der Zweifel an der Wirksamkeit des einzelnen Beitrags. Darüber hinaus gibt es noch weitere psychologische Barrieren beim Verzichten an sich, das kennen wir vom Rauchen oder Abnehmen. Kurz gesagt: Es ist nicht verwunderlich, dass wir als Konsument*innen es nicht schaffen, das Klimaproblem zu lösen. Das Problem liegt auf der Systemebene und damit die Lösung im gemeinschaftlichen Handeln.

Die größere Kraft liegt in unserem Engagement als Bürger*innen

Bereits in den Neunziger Jahren zeigte der Umweltpsychologe Paul Stern, dass es beim Klimaschutz vor allem um politisches Handeln geht. Als Bürger*innen haben wir deutlich mehr Möglichkeiten, zum Klimaschutz beizutragen. Wir können Vorbild sein, indem wir selbst konsequent handeln, aber auch indem wir spenden und klug schenken (z.B. für unsere Kinder und Enkel Klimaschutzzertifikate für deren Flugreisen) und können so Verantwortung übernehmen und zugleich bei anderen ein Bewusstsein für die Umweltkosten unserer Lebensstile schaffen. Wir können in unserem Job für Klimaschutz eintreten, darauf hinwirken, dass in der Beschaffung, in der Kantine oder bei Dienstreisen der Klimaschutz priorisiert wird. Die Voraussetzungen sind gut, denn fast 90 % der Deutschen sind überzeugt, dass mehr für den Klimaschutz getan werden sollte. Und schließlich: Wir können gemeinsam mit vielen anderen für den Klimaschutz auf die Straße gehen und einfordern, dass sich die Rahmenbedingungen, die uns derzeit am konsequenten Handeln hindern (z.B. fehlende ÖV-Infrastruktur) oder es uns schwer machen (Billigflüge, Subvention des Autofahrens) endlich ändern.

 

Gifford, R., Lacroix, K., & Chen, A. (2018). Understanding responses to climate change: Psychological barriers to mitigation and a new theory of behavioural choice (p. 161-184). In Clayton, S. & Manning, C. (Eds.). Psychology and climate change: Human perceptions, impacts, and responses. New York: Academic.

Umweltbundesamt (2019) (zuletzt aufgesucht am 10.4.2020)

 

Autorin:
Ellen Matthies, Umweltpsychologin, Professorin an der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, seit 2013 Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat Globale Umweltveränderungen (WBGU)