
Lokale Allianzen für eine starke Gemeinschaft
Bürgerschaftliches Engagement gilt als wirksamer Schutzfaktor gegen Einsamkeit. Besonders der organisierte Sport bietet hier eine enorme Chance: Millionen Menschen engagieren sich freiwillig in Sportvereinen. Laut dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) sind rund zwei Millionen dauerhaft in ehrenamtlichen Positionen engagiert und weitere 6,7 Millionen bringen sich punktuell ein (DOSB 2024). Die Formen des Engagements sind dabei vielfältig: Ob als Volunteer bei einer Sportgroßveranstaltung, gewähltes Vorstandsmitglied, Übungsleitende, Mannschaftskapitänin oder Helfer beim Kuchenverkauf – wer sich einbringen möchte, findet etwas, was zu den eigenen Interessen und zeitlichen Verfügbarkeiten passt.
Der größte Antrieb für dieses Engagement? Das Gemeinschaftsgefühl – es stellt den wichtigsten Wert für Sportvereine und damit einen zentralen Motivator dar (Bundesinstitut für Sportwissenschaft 2024).
In einer Zeit, in der Individualisierung und soziale Vereinzelung zunehmen, setzen Sportvereine einen Kontrapunkt: Sie sind Orte der Bewegung – aber mehr noch sind sie Orte gelebter Teilhabe. Sie bringen Menschen unterschiedlichster Herkunft, Fähigkeiten und Altersgruppen zusammen, fördern Integration und leisten einen aktiven Beitrag zum Gemeinwohl. All das ist ohne bürgerschaftliches Engagement undenkbar.
Wer sich engagiert, hilft nicht nur anderen – sondern stärkt auch das eigene Wohlbefinden.
Mitglieder und Engagierte lernen voneinander, unterstützen sich, erleben Spaß und Gemeinschaft. Über regelmäßige Kontakte hinaus, bringt bürgerschaftliches Engagement im Verein Beziehungen der Anregung und Anerkennung hervor: Das Gefühl gebraucht zu werden, Verantwortung zu tragen, und die Erfahrung, etwas Sinnstiftendes zu bewirken, stärkt den Selbstwert und das Wohlbefinden.
Ein gemeinsames Interesse und über eine längere Zeit hinweg geteilte Aktivitäten können helfen, negative Gedankenmuster über sich selbst und andere zu durchbrechen. Wer sich engagiert, bindet sich oftmals auch emotional an die Vereinsgemeinschaft. Durch das vergrößerte soziale Netzwerk entstehen praktische Unterstützungsnetzwerke, die in andere Lebensbereiche hinausreichen können – etwa wenn Mitstreiter*innen bei der Jobsuche helfen oder beim Umzug zur Hand gehen. Durch neue Rollen, den Erwerb sozialer und organisatorischer Kompetenzen oder Fortbildungen eröffnen sich gleichzeitig Möglichkeiten zur persönlichen Weiterentwicklung. Engagement wird damit zur doppelten Ressource: Man unterstützt andere – und tut gleichzeitig sich selbst etwas Gutes.
Doch wie gelingt ein Zugang zum Verein – insbesondere für Menschen, die von Einsamkeit betroffen sind?
Mit FIVE – „Fit und verbunden gegen Einsamkeit” (2025–2027) setzt der Deutsche Olympische Sportbund auf die Potenziale von Bewegung und eine kommunale Vernetzung von Sportvereinen, um Begegnungsräume für Menschen aller Altersgruppen mit erhöhten Einsamkeitsbelastungen, insbesondere Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, zu schaffen. Das Modellprojekt wird durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und das Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ) gefördert.
In sechs Modellregionen deutschlandweit entstehen in den kommenden zwei Jahren lokale „Allianzen zur Vorbeugung und Linderung von Einsamkeit“ aus Sportvereinen, Migrant*innenselbstorganisationen und zentralen Akteur*innen vor Ort (z. B. Mehrgenerationenhäuser, Familienzentren, Religionsgemeinschaften, Nachbarschaftstreffs). Deren Ziel es ist, die unterschiedlichen Expertisen – etwa im Bereich Bewegungsförderung, interkultureller Öffnung oder niedrigschwelliger Ansprache – zusammenzuführen und gemeinsam neue Zugangswege zu erschließen und bedürfnisorientierte Bewegungsangebote zu entwickeln. Darüber hinaus sind nachhaltige Maßnahmen zur Förderung freiwilligen Engagements geplant, wie niedrigschwellige Aus- und Fortbildungsangebote speziell für Menschen aus migrantischen Communities sowie Informations- und Sportangebote, die einen Schwerpunkt auf Empowerment und die Identifikation sowie Förderung individueller Ressourcen legen. Auf diese Weise soll Menschen mit Einsamkeitserleben der Einstieg zu sozialer Teilhabe und bürgerschaftlichem Engagement erleichtert werden.
Auf der Projektwebsite erfahrt ihr mehr über die Modellregionen gegen Einsamkeit und weitere Projektaktivitäten. Organisationen und Multiplikator*innen sind herzlich eingeladen, sich zu beteiligen und einzubringen.
Literaturnachweise
- Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Hrsg.) 2024: Sportvereine in Deutschland: Ergebnisse aus der 9. Welle des Sportentwicklungsberichts. Sportentwicklungsbericht für Deutschland 2023–2025. https://www.bisp.de/SharedDocs/Downloads/Sportentwicklungsberichte/SEB_23-25.pdf;jsessionid=570511BAF226D424949731C4D20D0F49.internet961?__blob=publicationFile&v=3
- DOSB (Hrsg.) 2024: Ehrenamt & freiwilliges Engagement im Sport. Frankfurt am Main. https://cdn.dosb.de/Relaunch_2024/Ehrenamt/Downloads/Broschuere-EhrenamtimSport-2024.pdf
Autor*innen
Viola Kaets und Christoph Wenz sind Referenten im Ressort Breiten- und Gesundheitssport beim Deutschen Olympischen Sportbund. Gemeinsam leiten sie das Projekt „Fit und verbunden gegen Einsamkeit”. Kontakt: fivedosbde