Ein Raum mit mehreren Tischen, an denen teilweise PCs und Laptops stehen. An den Tischen sitzen junge Menschen unterschiedlichen Geschlechts und unterschiedlicher Hautfarbe sowie eine Person im Rollstuhl. Teilweise schauen sie auf ihre Arbeitsgeräte, teilweise diskutieren sie miteinander.

Diverse Teams © Andrey Popov / Shutterstock.com

Fast jeder Mensch hat schon einmal im Job das Gefühl gehabt, nicht wertgeschätzt oder abgelehnt zu werden. Manchmal geschieht das unbewusst. Umso wichtiger, dass wir unsere Handlungen im Sinne eines inklusiven Miteinanders reflektieren und, wo nötig, korrigieren. Denn inklusiv zu sein kann man lernen.

„Ich habe mich einbezogen gefühlt, als ich – als einzige Auszubildende am Tisch – im Teammeeting auch nach meiner Auffassung zu einem Sachthema gefragt wurde.“

„Ich habe mich einbezogen gefühlt, als die englischen Kollegen bewusst auf umgangssprachliche Formulierungen verzichtet haben, damit ich als einziger nicht „native-speaker“ der Diskussion folgen konnte.“

„Ich habe mich einbezogen gefühlt, als ich mit meinem Namen angesprochen wurde.“

„Ich habe mich ausgeschlossen gefühlt, als immer ein Kollege mir ins Wort gefallen ist und alle anderen das akzeptiert haben.“

„Ich habe mich ausgeschlossen gefühlt, als immer wieder Teamsitzungen nach 15 Uhr angesetzt wurden, ich aber in Teilzeit nur bis 14 Uhr arbeite.“

 

Die Sammlung solcher Aussagen ließe sich problemlos um weitere ergänzen. Wohl fast jeder und jede wird selbst schon einmal in einer solchen Situation gewesen sein, in der sie oder er sich aufgrund einer Geste oder einer Bemerkung dazugehörig und wertgeschätzt oder aber auch geringgeschätzt oder abgelehnt gefühlt hat. Sicherlich steckt nicht hinter jeder Geste oder Bemerkung, die eine negative Wirkung erzeugt, Absicht oder eine bewusste Aktion, umso mehr sollte es im Interesse aller sein, solche Situationen zu vermeiden. Es ist möglich und notwendig, das eigene Bewusstsein zu schärfen für kleine Gewohnheiten, tief verwurzelte Verhaltensweisen und Überzeugungen, die sich auf die Inklusion auswirken und darauf, wie sich andere fühlen. Denn letztlich ist „Inklusiv zu sein“ eine Entscheidung, die wir alle, bewusst oder unbewusst, viele Male am Tag treffen.

 

Diversity geht nicht ohne Inclusion

In den letzten Jahrzehnten ist unsere Gesellschaft und unser Arbeitsumfeld offener, bunter und variantenreicher geworden. Immer mehr Menschen wollen und trauen sich ihre Persönlichkeit und ihre Lebenskonzepte offen zu leben. Das ist eine positive Entwicklung und ein Zeichen für eine offene, demokratische Gesellschaft. Damit werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede sichtbarer. Dies hat auch etwas Herausforderndes, denn Gewohntes, Altbewährtes und bisher Übliches wird in Frage gestellt. Damit muss umgegangen werden. Wir erleben Gegenbewegungen, die mit Intoleranz und Unsicherheit auf andere Lebenskonzepte und „Anders-sein“ (als sie selbst) reagieren. In einer Organisation jedoch, ob nun in einem Unternehmen, einem Verein, einer Wohlfahrtsorganisation etc., kann es der Leitung, den Beschäftigten oder den Mitgliedern nicht egal sein, dass sich Menschen in ihren Strukturen nicht wohlfühlen und Ablehnungskonflikte eskalieren. Es kann ihnen nicht egal sein, dass Mitarbeitende oder Mitglieder den Eindruck haben, dass es besser sei, einen Teil ihrer Persönlichkeit oder ihres Lebensstiles zu verheimlichen oder gar zu verleugnen. Es ist daher eine wichtige Leitungsaufgabe aktiv an einer inklusiven Kultur zu arbeiten, zu der auch alle anderen Organisationsmitglieder beitragen sollten.

In einer Organisationskultur der Diversity & Inclusion (D&I) steht Vielfalt (Diversity) für die diverse Zusammensetzung der Beschäftigten oder Mitglieder, die die Vielfältigkeit der Gesellschaft auch in der eigenen Organisation widerspiegelt. Darüber hinaus geht es bei Inklusion um eine respektvolle und wertschätzende Haltung gegenüber der Person in ihrer Einzigartigkeit. Es geht darum, wie gut Anwesenheit, Beiträge und Perspektiven von unterschiedlichen Persönlichkeiten wertgeschätzt und in der Organisation integriert werden. Dabei ist zunehmend – wie auch von der Charta der Vielfalt vertreten – ein breites Vielfalts- und Inklusionsverständnis zugrunde gelegt, das alle Vielfaltsdimensionen einbezieht. Menschen sollen Wertschätzung und Respekt erfahren, unabhängig vom Alter, ethnischer Herkunft und Nationalität, Geschlecht und geschlechtlicher Identität, körperlichen und geistigen Fähigkeiten, Religion und Weltanschauung, sexueller Orientierung und sozialer Herkunft. 

 

Gründe für eine inklusive Organisationskultur sind vielfältig

Man könnte die Frage nach dem „warum Inklusion?“ mit einem einfachen „Weil es richtig ist!“ beantworten. Denn es ist richtig dem Gegenüber mit Respekt und Wertschätzung zu begegnen. Das wirkt sich nicht nur auf den einzelnen Menschen positiv aus, sondern auch auf die Organisation insgesamt. Denn Menschen entwickeln ein Gefühl der Zugehörigkeit, wenn sie sich, unabhängig davon wer sie sind, woher sie kommen und was sie in der Organisation tun, in der Gesamtheit ihrer Person und Persönlichkeit respektiert fühlen und ihre vielfältigen Perspektiven einbringen können. Sie bringen dann ihr ganzes Selbst zur Arbeit mit, sind in ihrem Team gestärkt und vertrauen ihren Kolleg:innen. Dies führt nachweislich auch zu besseren Ergebnissen.

Im Unternehmen bp wird die Erwartungen an die Führungskräfte und Mitarbeitenden in Bezug auf inklusives Handeln unter anderem in einer sehr praktischen Formulierung ausgedrückt: Es geht darum, dass auch die „leiseste Stimme“ Gehör findet.

Auch der „leisesten Stimme“ Gehör zu geben, hat nicht ausschließlich etwas mit Respekt und Wertschätzung zu tun, sprich einen „Justice Case“, sondern ist in unserem Geschäftsumfeld mit Raffinerien, Tankstellen und Kraftstofftransporten auch eine Frage von „Sicherheit“. Hier liegt ein wichtiger Business Case für D&I. Warnsignale müssen rechtzeitig gehört und ernst genommen werden, ganz unabhängig von wem sie kommen. Dies gilt übrigens nicht nur für  industrielleProduktionsstätten, sondern kann ebenfalls auf alle anderen Organisationen bezogen werden.

bp stärkt seit langem eine „Speak-up“ Kultur im Unternehmen, die befördert, dass Mitarbeitende ermutigt werden Missstände und Ungerechtigkeiten anzusprechen, auf Risiken und Gefahren hinzuweisen und unkonventionelle Ideen und Themen einzubringen. Dies wurde in den Unternehmenswerten und Verhaltensweisen verankert, durch „open-Talk“ Prozesse untermauert und über interne Kampagnen und Vorbilder bestärkt.

 

„Diversity of Thoughts“

Neben diesem sehr pragmatischen Grund der „Sicherheit“, ist inklusives Denken auch ein Treiber für Innovation.

Der Klimawandel, eine gerechte Transformation der Energiesysteme, Digitalisierung etc. -  die Herausforderungen sind groß. Um die unterschiedlichen Anforderungen an die Energiesysteme der Zukunft zu verstehen und nachhaltige Lösungen zu erarbeiten, sind Perspektiven und Impulse aus ganz unterschiedlichen Disziplinen und Richtungen notwendig. Die Gedanken- und Ideenvielfalt ist heute nicht nur für ein Unternehmen wie bp wichtiger denn je. Zentral dafür ist, dass die vielfältigen Potentiale der Mitarbeitenden in die Geschäftsprozesse einbezogen werden. Die Zeit des monolithischen Denkens ist vorbei – in Bezug auf das Geschäftsmodell und die Unternehmenskultur. Statt der Konzentration auf eine Antriebstechnik, wie den Verbrennungsmotor, wird es zukünftig vielfältigere und differenziertere Antriebs- und Mobilitätskonzepte geben müssen. Engstirnigkeit, Ausgrenzung und fehlende Offenheit gegenüber unkonventionellen Sichtweisen und anderen fachlichen Disziplinen gefährden dagegen die Entwicklung zukunftsweisender Lösungen.

In dieser Transformation wächst die Bedeutung kollektiver Ansätze, beispielsweise innerhalb des Unternehmens zwischen unterschiedlichen Geschäftssegmenten und auch in Bezug auf Unternehmenspartnerschaften zu anderen Branchen und Start-ups, Think Tanks, NGOs, zu ganz neuen – anderen – Stakeholdergruppen. Konstruktive, kritisch und mitdenkende Gesprächspartner:innen, die nicht das sagen, was man selber bereits weiß, werden wichtiger. Die Unternehmen benötigen „den Widerspruch, der uns weiterbringt“. Und auch hier müssen wir lernen die leiseste Stimme zu hören.

Diese sektorübergreifende Kooperationsfähigkeit sollte daher bei allen Beteiligten weiter gestärkt werden. Offenheit und der Wille, die eigene Positionen zu erklären und auch dem anderen zuzuhören, sind dabei ganz wichtig. Inklusion zeigt sich dann darin, inwieweit es gelingt, unterschiedliche Aspekte “ zu neuen Energielösungen und Geschäftsmodellen zusammenzuführen und zu verknüpfen.

 

D&I ist kein Zusatz, sondern integraler Bestandteil der Organisation

Diversity & Inclusion ist ein ganzheitlicher Ansatz, der alle Handlungsfelder einer Organisation betrifft. Grundlegend für eine erfolgreiche Einführung und Umsetzung von D&I ist die strategische Verankerung in den Grundpfeilern der Organisation, in den Strukturen, den Prozessen, den Leitbildern und Werten. Dazu zählen, unter anderem, ein klares Bekenntnis der Führungsspitze zu D&I und eine Überprüfung der bestehenden Strukturen und Prozesse inwieweit diese Vielfalt ermöglichen oder behindern sowie Lern- und Bewusstseinsprozesse.

Die Umsetzung einer Kultur der D&I in einer Organisation ist kein Programm, das nach einer Implementierung nach wenigen Monaten abgeschlossen ist, sondern es lebt davon, dass kontinuierlich daran gearbeitet wird.

Und D&I muss gelebt werden. Dafür ist ein Verständnis des D&I Ansatzes, Wissen, Reflektionsfähigkeit, ein offenes Ohr und Engagement nötig.

Im Folgenden nun drei konkrete Maßnahmen, die im Rahmen eines ganzheitlichen Ansatzes dazu beitragen können, dass ein inklusives Verständnis befördert wird.

1. Unconscious Bias Trainings

Jeder Mensch hat unbewusste und bewusste Wahrnehmungsfilter. Unser Gehirn ist so konzipiert, dass es innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde nach einer Begegnung eine schnelle Entscheidung über die Kompetenz, Freundlichkeit oder sogar Ehrlichkeit einer Person trifft. Nicht immer liegt man damit richtig. Kurz: wir sehen nicht das, was wir sehen, sondern das, was wir kennen.

In Unconscious Bias Trainings geht es genau darum, sich dieser Voreingenommenheit – der blinden Flecken – bewusst zu werden. Und dabei die Fähigkeit zur Selbstreflektion über eigene Stereotypen zu stärken und sich darüber klar zu werden, wie diese die eigenen Entscheidungen beeinflussen. Bezieht man dieses Wissen über die eigenen blinden Flecke in Entscheidungen mit ein, ist man eher in der Lage, davon unabhängige bewusste und zweckdienlichere Entscheidungen zu fällen. Insbesondere bei Personalentscheidungen hilft dies, die tatsächlichen Kompetenzen und Eignungen einer Person für eine Stelle zu erkennen und ermöglich es, den „Nasen-Faktor“ zu umgehen.

Daher sind solche Trainings insbesondere für Personen, die in Personalentscheidungen eingebunden sind, und solche die Führungspositionen inne haben, notwendig.

2. Meeting Moments

Die Zitate zu Beginn dieses Artikels stammen aus einer bp internen „Respect & Inclusion“- Kampagne, die vor einiger Zeit das Bewusstsein für ein respektvolles Miteinander - für inklusives Verhalten - stärken sollte. Führungskräfte sprachen in einem Video von ihren Erfahrungen, in welchen Situationen sie sich im Laufe ihres Berufslebens ausgeschlossen fühlten oder was dazu beigetragen hatte, dass sie sich akzeptiert gefühlt haben. Dies war ein guter thematischer Aufhänger für Teams sich über eigene Erfahrungen auszutauschen.

Oft sind es die alltäglichen Situationen, die uns helfen die Augen für einen Sachverhalt zu öffnen, die Abstraktes auf die eigene Erlebnisebene herunterzubrechen. „Meeting Moments“ können dies leisten.

Meeting Moments sind kurze Impulse, um gemeinsam im Team Probleme und Chancen von Vielfalt im Arbeitsalltag zu reflektieren und voneinander zu lernen. Anlässe können kleine Erkenntnisse, Beobachtungen oder Vorfälle mit aktuellem Bezug sein, oder auch internationale Gedenktage, eine Information aus den Nachrichten, ein Lied, religiöse Feiertage, ein Urlaubserlebnis. Sie helfen dabei wichtige Themen im Bewusstsein zu verankern und sich kontinuierlich zu verbessern. Jedes Teammitglied kann diese in ein Meeting einbringen, sie dauern in der Regel 3-5 Minuten. In vielen Teams sind sie als erster Punkt auf der Tagesordnung fester Bestandteil von Besprechungen. Gerade der Austausch im Team trägt viel zum Verstehen bei.

3. Verbündete (Allyship)

Ablehnungen von und Distanz zu Anders-sein entsteht häufig durch Unsicherheit und Unkenntnis. Daher ist es wichtig, Vielfaltsthemen auch im Unternehmen und in Organisationen zu thematisieren, sei es zu Transgender, Rassismus, Genderfragen, LGBTI+, Generationen, Menschen mit Beeinträchtigungen.

„Allies“ (Verbündete) kommt hierbei eine wichtige Rolle zu. Dies sind Personen, die Themen zu und von speziellen Dimensionen ansprechen, auch wenn sie sich selbst diesen persönlich nicht zuordnen, zum Beispiel eine männliche Führungskraft, die das Frauennetzwerk unterstützt oder eine heterosexuelle Führungskraft, die sich für Themen der LGBTI+ Community einsetzt, Maßnahmen zur Unterstützung der Gruppe ergreift und sich öffentlich gegen Vorurteile und Diskriminierungen ausspricht. Verbündete aller Ebenen einer Organisation sind hilfreich, allen voran sollten es aber die Top-Führungskräfte sein, die hier Vorbilder setzen. Eine aktive interne kommunikative Unterstützung der Aktivitäten der Allies vergrößert die Reichweite und unterstreicht die Wichtigkeit des Themas für andere in der Organisation. Sie trägt dazu bei, dass vermeintliche Tabuthemen aus ihrem Nischendasein kommen, Kenntnisse in der Belegschaft wachsen und die Mitarbeitenden das Gefühl haben in ihrer Einzigartigkeit respektiert zu werden.

Einen wichtigen Beitrag können dabei auch interne Netzwerke von Mitarbeitenden leisten, die vor allem in größeren Unternehmen zunehmend Verbreitung finden. Sie bieten einen Ort, Erfahrungen und Wissen zu teilen, voneinander zu lernen, sich zu verbinden und die Situationen in der Organisation zu verbessern. Die Netzwerke bieten nicht nur Entwicklungsmöglichkeiten für Einzelne, sondern dienen auch als Ressource für das Unternehmen, indem sie eine vielfältige Perspektive auf verschiedene Themenstellungen von Mitarbeitenden bieten. Zu Ihrer Struktur gehört in der Regel, dass sie eine Führungskraft als Sponsor:in haben, die ebenfalls als eine Art Verbündete die Anliegen des Netzwerks unterstützt. Diese Mitarbeitenden-Netzwerke ersetzen nicht die betrieblichen Mitbestimmungsgremien.


Autorin:

Brigitta Wortmann ist Senior Political Adviser bei BP Europa SE und Mitglied im BBE Sprecher*innenrat.

Hinweis: Nach Rücksprache mit der Autorin wurde dieser Artikel in der Originalverfassung veröffentlicht. Eine Version in einfacher Sprache liegt nicht vor.