(c) Johannes Müller

Engagement-Botschafter Johannes Müller, Gründer von CorrelAid e.V. unterstützt NGOs dabei Ihre Daten zu nutzen und zu analysieren. Im Interview mit enorm erklärt er, warum Datenanalyse durchaus spannend sein kann und warum neben Daten auch die Erfahrung und die Intuition der Verantwortlichen sowie das eigene Bauchgefühl für Entscheidungen wichtig sind.

Herr Müller, Sie haben mal gesagt, die meisten Menschen hätten keine Lust, sich großartig mit Daten oder Statistiken zu beschäftigen. Warum sollten wir es trotzdem tun?

Weil sie uns helfen, Zusammenhänge zu erkennen, auf die wir sonst nicht stoßen würden. Mithilfe der Auswertung von Daten können wir bessere Entscheidungen treffen. Deswegen finde ich es so spannend, sich damit auseinanderzusetzen und herauszufinden, was in ihnen steckt – aber auch, was nicht in ihnen steckt.

Das müssen Sie erklären.

Ein einfaches Beispiel sind Rezensionen im Internet, etwa von Menschen die ein Buch gekauft oder eine Dienstleistung in Anspruch genommen haben. In der Regel finden Sie dort die Extreme – begeisterte und vernichtende Kritiken. Die vermutlich viel breitere Mitte verfasst oft gar keine Rezensionen. Wenn man Daten auswertet, muss man sich immer darüber bewusst sein, welche Informationen womöglich fehlen, damit man nicht zu falschen Ergebnissen kommt.

Konzerne betreiben Datenanalysen routinemäßig, um Geschäftsmodelle entwickeln. Mit Ihrem Netzwerk CorrelAid bieten Sie solche Auswertungen für zivilgesellschaftliche Organisationen an. Geht es Ihnen um Chancengleichheit zwischen beiden Seiten?

Das kann man so sagen. Die Idee hinter CorrelAid war es, das Potenzial von Datenanalysen zu demokratisieren. Wir wollen, dass die gesamte Gesellschaft davon profitiert, nicht nur die Unternehmen.

Eine sehr idealistische Haltung. Sie hätten mit ihren Fähigkeiten stattdessen auch für ein stattliches Gehalt bei einem Konzern anheuern können.

Vielleicht. Aber da geht es mir wie vielen Menschen, die sich in unserem Netzwerk engagieren. Sie wollen ihr Wissen und ihre Fähigkeiten für einen guten Zweck einbringen – das ist es, was sie antreibt. Außerdem sind diese praktischen Projekte eine hervorragende Möglichkeit die eigenen Kenntnisse zu entwickeln und sich weiterzubilden.

Wie funktioniert CorrelAid?

Wir arbeiten für NGOs, die auf uns zukommen, weil sie ein Problem oder eine Fragestellung haben, die sie selbst nicht ohne Weiteres lösen können. Wir schreiben ihr Projekt dann innerhalb unseres Netzwerks von jungen Datenanalystinnen und -analysten aus und bringen die NGOs mit denjenigen zusammen, die ihnen helfen können. Bislang haben wir 15 Projekte abgeschlossen, meist dauern sie zwei bis drei Monate.

Ein Beispiel bitte.

Für das Europäische Jugendparlament haben wir die Daten einer großen Mitgliedererhebung analysiert. Ziel der Analyse war es, herauszufinden, wie das Profil der Jugendlichen aussieht, die zu den Konferenzen überall in Europa kommen und welche Gruppen dabei unterrpräsentiert sind. Mit unseren Ergebnissen können die Organisatoren ihre Mittel zielgerichteter einsetzen, um insbesondere Jugendliche aus ländlichen Regionen besser zu fördern.

Vor wenigen Wochen ist die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Kraft getreten. Erschwert ihnen diese Richtlinie die Arbeit?

Nein, nicht mehr als bei anderen Organisationen auch. Mit der DSGVO haben wir jetzt vorbildlichen Datenschutzstandard in Europa, was ich sehr begrüße. Wir arbeiten bei CorrelAid grundsätzlich mit anonymisierten Datensätzen. Die Erhebung liegt in der Verantwortung der NGOs, sodass wir in der Hinsicht keine Probleme haben.

Was sind das für Datenanalysten, die sich bei ihnen engagieren?

Total unterschiedliche Menschen. Wir haben inzwischen 650 Studierende und Young Professional aus den verschiedensten Fachrichtungen. Das sind längst nicht nur IT-Fachkräfte, wie man vielleicht meinen könnte, sondern zum Beispiel auch Neurowissenschaftler, Marketing-Fachleute oder auch Politologen. Wir versuchen immer, ein möglichst diverses Team zusammenzubringen, damit Problemstellungen aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden.

Würden Sie sagen, dass Datenanalysen die wichtigste Quelle sind, auf die sich Organisationen in der Zivilgesellschaft stützen sollten, wenn Sie Entscheidungen treffen?

Nein! Mindestens genauso wichtig sind die Erfahrung und die Intuition der Verantwortlichen. Datenanalysen helfen dabei, Entscheidungen besser in einen komplexen Kontext einzubetten, aber sie können nicht die alleinige Grundlage sein. Es geht quasi um Analyse plus Bauchgefühl.

Nähere Informationen über CorrelAid gibt es unter