Wie kann Klimaschutz noch besser als gesamtgesellschaftliche Aufgabe wahrgenommen werden? Dr. Lilian Schwalb, BBE-Geschäftsführerin Netzwerk und Fachpolitik, gibt Einblick in die Befragung der Mitglieder des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement und der daraus resultierenden Ergebnisse.

Grundlegend sind sich Menschen schon immer darüber bewusst, wie wichtig das Klima für ihr Leben und die Entfaltung der Natur ist. Auch ist bekannt, dass bereits kleine Veränderungen in dem komplexen Klimasystem Auswirkungen auf das Gesamtsystem haben. Zugleich stellt es sich als eine große Herausforderung dar, angesichts diverser Interessenlagen, der Ziele eines kapitalistischen Wirtschaftssystems und tradierter Lebens- und Konsumgewohnheiten adäquat auf den Klimawandel zu reagieren, der nun seit geraumer Zeit als existentielle Problematik gilt.

In Deutschland wird das Thema Klimawandel zwar grundsätzlich mit einer langfristigen Bedrohung verbunden und die Relevanz fortwährender Handlungen und einer nachhaltigen Klimapolitik gesehen. Das Thema wird jedoch weitestgehend als ökologische Frage verstanden und im Kern von einer kleinen gesellschaftlichen Gruppe angetrieben. Zugleich verdeutlichen viele gelungene Beispiele auch aus der Breite der Zivilgesellschaft, wie durch gemeinsames Handeln Veränderungen angestoßen werden.

Wie steht es um die Bedeutung des Klimaschutzes in Diskursen und dem Handeln der Zivilgesellschaft? Wie kann das Thema in der Breite der Gesellschaft direkt erfahrbar gemacht werden? Kann durch eine verstärkte Befassung der Zivilgesellschaft darauf hingewirkt werden, dass das Thema in der Gesellschaft einen anderen Stellenwert bekommt und in der politischen Debatte stärker vorangetrieben werden kann? Diese Fragen standen am Beginn des gemeinsamen Projektes „Klimaschutz und Bürgerschaftliches Engagement“, das das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) gemeinsam mit und gefördert durch die Stiftung Mercator im Jahr 2019/2020 durchführt. Besondere Aufmerksamkeit wurde hier auf den Status Quo in der organisierten Zivilgesellschaft gelegt. Dieser Beitrag widmet sich schwerpunktmäßig den folgenden Fragen: Wer nimmt sich des Themas an? Welche Motivationen stecken dahinter? Wie kann der Stein ins Rollen gebracht werden? Wo liegen Hürden/ Chancen beim Engagement für das Klima? Welche Handlungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten lassen sich ableiten?

Ein zentraler Befund der BBE-Mitgliederbefragung 2020[1] ist, dass Klimaschutz von zivilgesellschaftlichen Organisationen als deutlich relevantes Thema wahrgenommen wird. Die Prominenz des Themas in den Organisationen und die Intensität mit der Befassung variieren allerdings. So beschäftigt Klimaschutz 64% der befragten Organisationen. Lediglich weniger als ein Fünftel der Befragten haben den Klimaschutz bereits seit dem Bestehen ihrer Organisation als wesentlichen Arbeitsschwerpunkt gesetzt. Für 13% wurde er als neues Querschnittsthema aufgegriffen und bei einer Mehrheit (26%) wird das Thema durch einzelne Personen und/ oder Projekte eingebracht. Jede fünfte Organisation befasst sich mit den SDGs und damit auch mit sozialen und sozial-ökologischen Fragen, nicht unbedingt konkret mit Klimaschutzfragen.

Warum wird das Thema Klimaschutz auf die Agenda zivilgesellschaftlicher Organisationen gesetzt? Wesentliche Motivationen schöpfen zivilgesellschaftliche Akteure neben der persönlichen Betroffenheit (61% nimmt den Klimawandel als Bedrohung wahr) daraus, Verantwortung übernehmen bzw. einen gesellschaftlichen Beitrag leisten zu wollen (90%).

Trotz der Relevanz, die viele Befragte dem Thema grundsätzlich zuweisen, sind einige ambivalent hinsichtlich der Einschätzung zur möglichen Platzierung des Themas in der eigenen Organisation. Immerhin fast ein Drittel der Befragten gab keine Einschätzung ab, ob sie in der eigenen Organisation auf Schwierigkeiten gestoßen seien, das Thema Klimaschutz zu platzieren bzw. in der Arbeit umzusetzen. Nahezu die Hälfte der Befragten verneinte dies eindeutig. Mit Schwierigkeiten bei der Umsetzung/ Platzierung des Themas in der eigenen Organisation konfrontiert gewesen zu sein, gaben gut 20% an. Insbesondere fehlende Ressourcen und/ oder Konkurrenzen mit anderen Themen sind ursächlich dafür. Dies bestätigt sich auch in den Begründungen derjenigen, die das Thema bislang nicht aufgegriffen haben.

Interessant ist, dass das Thema Klimaschutz mit anderen Themen und Diskursen in besonderer Weise verschränkt ist. Diese Verschränkung von Diskursen durch die Entwicklung unterschiedlicher Begründungszusammenhänge für Klimaschutz scheint jedoch vielen Akteur*innen nicht bewusst zu sein. Beispiele liegen in der Verbindung zum Nachhaltigkeitsdiskurs, zu Fragen der sozialen Gerechtigkeit/ Geschlechter- und Bildungsgerechtigkeit. Diese Themen werden von den Befragten zugleich als grundsätzlich sehr wichtige Zukunftsthemen des Bundesnetzwerks erachtet, während Klimaschutz geringere Nennungen erfährt.

Neben den identifizierten fehlenden Verknüpfungsleistungen lassen sich weitere konkrete Hemmnisse herausstellen. Es fehlen häufig Ressourcen oder Kapazitäten in den Organisationen, ohne die es sich für die Organisationen schwierig gestaltete, das Thema auf die Agenda zu setzen und mit Leben zu füllen. Hier kann der Stein zukünftig ins Rollen gebracht werden, indem Anforderungen von Partner*innen, Geldgeber*innen, Verbänden oder Mitgliedern die Organisationen dazu bewegen helfen, das Thema aufzunehmen. Auch öffentliche bzw. gesetzliche Vorgaben/ Regulierungen bzw. der Druck durch die Politik hätten einen Einfluss nach der Einschätzung von knapp der Hälfte der Organisationen, die das Thema bislang noch nicht platziert haben. Ein weiteres wichtiges Vehikel sehen die Befragten in Prozessen der Weiterentwicklung oder Neuausrichtung der Organisation.

Die Befragungsergebnisse verweisen auf weitere konkrete Bedarfe der BBE-Mitglieder: Gezielte Förderung wäre die wesentliche Voraussetzung für knapp 48 Prozent der Organisationen, um Projekte oder Maßnahmen zugunsten des Klimaschutzes aufsetzen zu können. 43,4% der Befragten würden es als hilfreich erachten, Kooperationen mit Partnern eingehen zu können, die ihre Kernexpertise im Bereich Klimaschutz haben. Auch überfachliche Vernetzungsmöglichkeiten (43,3%) sowie Veranstaltungen, die Wissen zum Klimaschutz vermitteln (fast 34,4%), wären förderlich. Weiterbildungsmaßnahmen oder fachliche Beratung würden 24,5% in Anspruch nehmen, während knapp 20% angaben, professionelle Beratung zu den Besonderheiten der Kommunikation zu diesem Thema zu benötigen.

Die Mitgliederbefragung zeigt: Viele der zivilgesellschaftlichen Organisationen sehen zwar die Relevanz des Themas, dieses bleibt aber für einige noch abstrakt und mit ihren eigenen Zielen und Perspektiven unverbunden. 46% wünschen, dass das Thema Klimaschutz und bürgerschaftliches Engagement in Zukunft einen größeren Stellenwert auf der Agenda des BBE einnehmen sollte. Der Anteil der Unentschlossenen ist mit einem Drittel jedoch eine zu berücksichtigende Gruppe. Im BBE gilt es also, auch jenseits der Organisationen, für die das Thema einen bedeutenden Arbeitsschwerpunkt bildet (z.B. Umweltverbände), zum Diskurs einzuladen und zu aktivieren, so dass Klimaschutzaspekte stets einbezogen und mitgedacht werden. Deshalb wurde in der Projektlaufzeit in diversen Veranstaltungen, Sitzungen und in Veröffentlichungen mit den Mitgliedern an der Frage gearbeitet, wie Themenbezüge hergestellt, Bedarfe noch besser formuliert und Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt werden können. In BBE-Arbeitsgruppen wurden bereits in der Breite der Mitgliedschaft mit dem Klimaschutz verbundene Themen in den Blick genommen. Um das Thema breiter zu verankern, wäre jedoch eine weitere akzeptanzstiftende Facharbeit sowie eine breite Kommunikation im Netzwerk erforderlich. Wichtige Themenbezüge müssten gemeinsam hergestellt werden, wie beispielsweise zu Fragestellungen an der Schnittstelle zwischen Migration und Klimaschutz (Klimaflucht), zwischen sozialer Gerechtigkeit und Klima, dem jungen Engagement im Klimaschutz oder zwischen Klimaschutz und Aspekten der Demokratiestärkung. Die Bewertung der wichtigsten Diskurse der SDGs zeigt, dass eine stärkere Kommunikation des Zusammenhangs von Ungleichheit und Klimaschutz die Akzeptanz des Themas unter den Mitgliedern steigern könnte. Auch Bildung und Nachhaltigkeit in Städten und Gemeinden sind wesentliche Bezugspunkte in der Fachdebatte.

Damit zivilgesellschaftliche Organisationen wichtige Klimaschutz-Themen auf ihre Agenda setzen können, bedarf es zudem entsprechender Gelegenheitsstrukturen, denn gemäß den Ergebnissen der Befragung bilden häufig andere Themen den Kernbereich der Arbeit. Gerade in der sektorenübergreifenden bzw. überfachlichen Vernetzung, in Kooperationen aber auch in einer gezielten Förderung liegen besondere Chancen, Klimaschutz in den Organisationen voran zu bringen. Die Organisationen benötigen finanzielle Mittel, da ihre eigenen Mittel meist für spezifische Projekte oder ihr Kerngeschäft gebunden sind. Auch erachten einige das Thema als konkurrierend mit anderen Themen. Durch Projektentwicklungen an Schnittstellen, mit denen Themen miteinander verbunden und in den Organisationen konkrete Impulse gesetzt werden, ließen sich zum einen bestehende Aktivitäten sichtbar machen, zum anderen neue, innovative Ideen entwickeln und umsetzen.

Zivilgesellschaftlichen Organisationen mit diversen Schwerpunktsetzungen könnte der Weg geebnet werden, sich weiterführend zu vernetzen mit Akteur*innen aus dem Netzwerk der klassischen Umweltverbände und -organisationen. Im Zuge neuer Partnerschaften würde der Fachaustausch intensiviert, es würden Brücken gebaut und Fachexpertise geteilt. Die Organisationen aus den diversen Bereichen der Zivilgesellschaft könnten sich bei der Neuausrichtung kompetent begleiten lassen und Handreichungen in Anspruch nehmen.

Ziel des BBE kann es auch sein, als Public Interest Lobbyist Impulse hinsichtlich verbesserter Rahmenbedingungen zu setzen und weitere Teile der Zivilgesellschaft und der politischen Entscheidungsträger*innen von der Dringlichkeit des Themas auch aus zivilgesellschaftlicher Perspektive stets auf ein Neues zu überzeugen.

Die interessanten Ergebnisse des Projektes 2019/ 2020 inklusive der Befunde der Mitgliederbefragung zeigen, dass das Thema ein klares Zukunftspotential im BBE hat: Einen systematischen Austausch und ein Lern- und Multiplikator*innen-Netzwerk zu etablieren, Gelegenheitsstrukturen zu schaffen, stärkere Handreichungen zu bieten und neue Ideen zu befördern, Aktivitäten zu bündeln und sichtbar zu machen, die Sprechfähigkeit der Zivilgesellschaft zu erhöhen und politisch wirksamer zu werden – das wären zentrale Anknüpfungspunkte für wesentliche Bestandteile der weiteren Netzwerkarbeit, die das Engagement für das Klima in der Breite der organisierten Zivilgesellschaft stärkt.

 

 

Autorin: Dr. Lilian Schwalb ist BBE-Geschäftsführerin Netzwerk und Fachpolitik, Bereichsleiterin Netzwerkbetreuung und -entwicklung und als solche verantwortlich für das Projekt „Bürgerschaftliches Engagement und Klimaschutz“, das das BBE mit der Mecator Stiftung in den Jahren 2019/2020 durchführte.

E-Mail: Lilian.Schwalbb-b-ede

 

 

Zum Weiterlesen:

Ansgar Klein, Lilian Schwalb, Charlotte Ruhbaum, Caroline Fricke und Lars Grotewold 2020: Klimaschutz als Gestaltungsaufgabe für die Zivilgesellschaft. In: FJSB 33 (1): 67-90

BBE-Europa-Nachrichten 10/2020: Schwerpunkt „Europa und bürgerschaftliches Engagement für Klima“ vom 01.10.2021 unter https://www.b-b-e.de/europa-nachrichten/europa-nachrichten-nr-9-vom1102020/

Ortwin Renn: Bürgerbeteiligung in der Klimapolitik. Erfahrungen, Grenzen und Aussichten. In: Forschungsjournal Soziale Bewegungen 2020/Heft1: Klima und Zivilgesellschaft. De Gruyter

 

Zum Weitersehen:

„Klimaschutz nur mit kulturellem Wandel möglich“. Matthias Klein im Gespräch mit Olaf Zimmermann. In: AufRuhr, Das Magazin der Stiftung Mercator 2020, Serie zum Mercator Forum „Engagement fürs Klima“, unter: https://www.aufruhr-magazin.de/klimaschutz/klima-veraenderungen-nur-mit-kulturellem-wandel-moeglich/

„Migrantencommunity für Klimaschutz sensibilisieren“. Matthias Klein im Gespräch mit Dirk Tröndle: In: AufRuhr, Das Magazin der Stiftung Mercator 2020, Serie zum Mercator Forum „Engagement fürs Klima“, unter: https://www.aufruhr-magazin.de/klimaschutz/migratencommunity-fuer-klimaschutz-sensibilisieren/

„Organisierte Zivilgesellschaft und Klimaschutz: wo stehen wir?“ Beitrag von Lilian Schwalb zum digitalen Thementag »Engagement und Klimaschutz« der Kampagne »Engagement macht stark!« des BBE gemeinsam mit der Stiftung Mercator am 18.09.2020, unter: https://ems-digital.zummit.com/events/thementag-engagement-und-klimaschutz/207/WDSNT/program/talk/organisierte-zivilgesellschaft-und-klimaschutz:-wo-stehen-wir/1252/infos

 

 

 

[1] Mit der Mitgliederbefragung 2020 wurden alle Mitglieder des BBE, aktive-Nichtmitglieder und Partner adressiert. Es handelte sich um eine Online-Befragung, konzipiert und durchgeführt durch den Arbeitsbereich Netzwerkbetreuung und -entwicklung des BBE. Die Fragebogenkonzeption, die Feldphase und Auswertung wurde durch ZIVIZ im Stifterverband begleitet. Der Fragebogen gliedert sich in 6 Teile und enthält Frageblöcke zur Mitgliedschaft im Netzwerk, zu Themenfeldern und der Mitarbeit im BBE, zu Zielen und Perspektiven der Mitarbeit im BBE und zur Zukunft des Netzwerks sowie zu allgemeinen Informationen über die befragten Organisationen. Ein eigener, ausführlicher Teil widmet sich dem Schwerpunktthema Engagement und Klimaschutz. Die Antworten wurden anonymisiert ausgewertet. Bei einer sehr guten Rücklaufquote von 20 % und einer Stichprobe von 146 Antworten beteiligten sich 40 % der BBE-Mitglieder an der Befragung.