Am 12. September 2025 eröffnete das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) gemeinsam mit Dr. Christiane Schenderlein, Staatsministerin für Sport und Ehrenamt, die bundesweite Woche des bürgerschaftlichen Engagements. Ein besonderer Moment: Tim Kramer vom Verein „Vereint Bochum“ wurde als Engagement-Botschafter 2025 ausgezeichnet – zum Schwerpunkt „Aktiv gegen Einsamkeit“. Mit der Aktionswoche würdigt das BBE den freiwilligen Einsatz von rund 30 Millionen Menschen in Deutschland und macht ihr Engagement sichtbar. Die Auftakt-Veranstaltung fand in Kooperation mit der Landesregierung Nordrhein-Westfalen statt.
Gemeinsam eröffneten sie vor rund 130 Gästen die 21. Woche des bürgerschaftlichen Engagements. Wer wollte, konnte den Auftakt auch online live verfolgen. Rainer Hub erklärte in seiner Begrüßungsrede: „Die Woche des bürgerschaftlichen Engagements will Ehrenamt und freiwilliges Engagement sichtbar machen, neue und unkonventionelle Formen aufzeigen, bisher wenig beachtete Gruppen einbeziehen, zum Mitmachen motivieren und Engagierte vernetzen. Zudem verbindet sie jährliche Schwerpunktthemen mit der Praxis, um den Zugang zum Engagement zu erleichtern.“
Dr. Schenderlein unterstrich die enorme Bedeutung des Ehrenamts: „Engagement bedeutet, nah bei den Menschen zu sein, am Puls der Gesellschaft.“ Sie dankte den Millionen Engagierten in Deutschland für ihren Einsatz und hob hervor, wie wichtig Anerkennung, Wertschätzung und Bürokratieabbau sind. Mit der Verlagerung der Engagement-Zuständigkeit ins Kanzleramt sei ein bedeutender Schritt getan, nun gelte es, Förderbedingungen zu vereinfachen und das Ehrenamt zu stärken. Zum Jahresthema Einsamkeit erklärte sie eindringlich: „Einsamkeit ist ein soziales Gift, das langsam wirkt.“ Dagegen helfe nur soziale Nähe, getragen von Engagierten, die mit Mut, Einsatz und Ideen Brücken bauen. Abschließend würdigte sie das BBE, das dem Engagement „eine klare und laute Stimme“ verleihe, und zeigte sich überzeugt: „Das wird eine erfolgreiche Woche des bürgerschaftlichen Engagements.“
Ministerpräsident Hendrik Wüst richtete seine Grüße per Video an die Gäste in der Landesvertretung NRW und stellte das Thema Einsamkeit in den Mittelpunkt: „Einsamkeit ist die neue soziale Frage unserer Zeit. Wer sich dauerhaft einsam fühlt, steht der Demokratie distanzierter gegenüber, ist offener für extreme Positionen.“ Besonders junge Menschen seien gefährdet. NRW habe eine eigene Stabsstelle eingerichtet und einen Aktionsplan mit 100 Maßnahmen beschlossen. Zudem gibt es eine Onlineplattform mit 800 Initiativen, die Wege aus der Einsamkeit aufzeigt. Wüst dankte den Engagierten ausdrücklich für ihren Einsatz.
Ein Höhepunkt der Auftakt-Veranstaltung war die Ernennung von Tim Kramer zum Engagement-Botschafter 2025 „Aktiv gegen Einsamkeit“. Er kennt Einsamkeit persönlich und möchte zeigen: Dafür muss man sich nicht schämen. Im Fokus seines Engagements steht der persönliche Austausch: zuhören, miteinander sprechen, voneinander lernen. Tim Kramer schafft mit dem Verein Vereint Bochum e. V. Begegnungsformate und macht Einsamkeit zum Gesprächsthema in seiner Stadt. „Viele Menschen erhalten nicht die Wertschätzung, die sie verdienen. Schon kleine Gesten können die Welt verändern. Ich möchte allen mitgeben: Wir sollten besser aufeinander achten“, so Tim Kramer. Eine Laudatio erhielt er von Samuel Drews, der im Vorjahr zum Botschafter „Nachhaltig engagiert“ ernannt wurde: „Einsamkeit ist eine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Doch Tim nähert sich diesem Thema nicht mit erhobenem Zeigefinger. Er kommt ohne Schuldzuweisungen, ohne Belehrung. Stattdessen begegnet er der Einsamkeit mit offenen Augen, mit einer Kamera in der Hand – und vor allem mit einem Herzen, das für Gemeinschaft schlägt. Seine Fotografie ist mehr als Kunst. Sie ist eine Einladung. Eine Einladung hinzusehen, hinzufühlen – und sich einzubringen.“
Viele Akteur*innen und Partner*innen aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Politik kamen während der zweistündigen Veranstaltung zu Wort. Dr. Lilian Schwalb diskutierte zusammen mit Daniela Broda (Deutscher Bundesjugendring) über „Engagement und Zukunft“. Schwalb betonte: „Engagement ist für mich das Zukunftsthema schlechthin.“ Sie verwies auf Herausforderungen wie Einsamkeit, Klima, Krieg und soziale Sicherheit und hob hervor, wie wichtig gute Rahmenbedingungen für junges Engagement sind. Daniela Broda erläuterte, dass junge Menschen sich stark in Natur, Kultur und Sozialem einbringen, jedoch oft übersehen werden: „Junge Menschen waren nie eine Mehrheit, aber sie waren auch nie so wenige wie heute. Deshalb müssen sie zwingend einbezogen werden.“ Kritisch merkte sie an, dass Bürokratie und fehlende Anerkennung die Partizipation erschweren. Lilian Schwalb schloss: „Wir brauchen die Vielfalt, um das gemeinsam zu schaffen.“
Unter dem Titel „Junges Engagement braucht Inklusion und Vielfalt – Aktion Mensch nimmt junge Menschen in den Blick“ sprachen Alexander Westheide (Aktion Mensch e. V.) und Jerôme Laubenthal (Projekt „Inklusion vor Ort“, Lebenshilfe St. Wendel gGmbH). Westheide hob die langjährige Kinder- und Jugendförderung von Aktion Mensch hervor, besonders für junge Menschen mit Beeinträchtigungen. Ergebnisse der Inklusionsbarometer-Jugend-Studie zeigen deutliche Teilhabedefizite und mehr Einsamkeit bei jungen Menschen mit Behinderung. Daraus leitet Aktion Mensch neue Initiativen ab, unter anderem eine Kampagne gegen Mobbing und Ausgrenzung ab Oktober 2025. Laubenthal betonte die Bedeutung von Begegnung, Partizipation und Barrierefreiheit: Für Kommunen brauche es Plattformen für Jugendbeteiligung sowie partizipative Kunst- und Kulturprojekte, die junge Menschen nachhaltig empowern.
Mit „Über den Tellerrand e. V.“ wurde ein besonders inspirierendes Projekt vorgestellt. Der Verein bringt seit 2013 Menschen mit und ohne Flucht- oder Migrationsgeschichte zusammen. In Kochabenden, Workshops und kreativen Projekten entstehen Begegnungen, Freundschaften und ein Miteinander auf Augenhöhe. Ehrenamtskoordinator Mazyar Rahmani: „Kochen, Essen tut jeder. Die Barrieren bei uns sind klein. Salz reichen kann jeder.“ Die Ehrenamtliche Xenia Kremer ergänzt: „Ich habe viele Jahre nicht in Berlin gelebt. Das Gemeinschaftsgefühl habe ich vermisst und bei Über den Tellerrand wieder gefunden.“
Über „Aktiv gegen Einsamkeit – was können wir gemeinsam tun?“ diskutierten Prof. Dr. Claudia Neu (Georg-August-Universität Göttingen), Mirjam Dierkes (Kompetenznetz Einsamkeit / Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V.), Dr. Petra Potz (location³) sowie Tim Kramer. Dierkes erläuterte die Rolle ihres Netzwerks als Wissens- und Vernetzungsplattform: Ziel sei es, Forschung, Praxis und Politik zusammenzuführen und Lücken zu schließen. Besonders alarmierend seien neue Zahlen: „17 Prozent der Grundschüler*innen fühlen sich einsam, fünf Prozent sehr einsam.“ Betroffen seien zudem Alleinerziehende, pflegende Angehörige, Menschen mit Armutserfahrung, Behinderung oder Migrationshintergrund. Neu betonte die gesellschaftlichen Folgen: Einsamkeit werde neurobiologisch wie Schmerz erlebt und führe zu Misstrauen sowie Demokratieskepsis. „Menschen, die sehr einsam sind, nehmen Demokratie besonders kritisch wahr. Sie gehen auch seltener zur Wahl und beteiligen sich weniger an politischen Ereignissen.“ Kramer brachte seine persönliche Perspektive ein: „Was ich mir in meiner Jugend gewünscht hätte? Dass es überhaupt jemanden interessiert.“ Social Media helfe nur begrenzt; entscheidend seien direkte Begegnungen über Hochschulen, Vereine und persönliche Netzwerke. Potz wies auf die Bedeutung lokaler Strukturen hin: „Einsamkeit findet im Quartier statt – Teilhabe muss vor Ort organisiert werden.“ Notwendig seien langfristige Beziehungen, Orte der Daseinsvorsorge und die Pflicht der Kommunen, Kräfte vor Ort zu vernetzen. In der Diskussion wurde deutlich: Einsamkeit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Abschlussbotschaft: Nur wenn staatliche Leistungen und zivilgesellschaftliches Engagement Hand in Hand gehen, lässt sich gesellschaftlicher Zusammenhalt nachhaltig stärken.
Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Dr. Anja Langness (Bertelsmann Stiftung), Public-Health-Wissenschaftlerin und Senior Project Managerin im Bereich Bildung und Next Generation. Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung von der mobilen Band Walkabees, die das Publikum mit „I feel good“ und „Eye of the Tiger“ begeisterten. Jessica Zahedi (ZDF) führte charmant und professionell durch das Programm.
Auf die Gäste vor Ort wartete ein Markt der Gemeinsamkeiten. Zehn Stände und eine Zuhör-Bank gaben Einblicke in gelebte Engagement-Praxis zum Thema „Aktiv gegen Einsamkeit”.
Live-Aufzeichnung
Video des Bühnenprogramms zum Nachschauen
Bildergalerie
Weitere Impressionen der Auftakt-Veranstaltung

Auftakt der Woche des bürgerschaftlichen Engagements. Von links nach rechts: Olaf Ebert (BBE-Sprecher*innenrat), Tim Kramer (Engagement-Botschafter 2025), Dr. Christiane Schenderlein (Staatsministerin für Sport und Ehrenamt), Katja Hintze (BBE-Sprecher*innenrat), Rainer Hub (BBE-Sprecher*innenrat), Dr. Lilian Schwalb (BBE-Geschäftsführerin). Foto: Jörg Farys

Begrüßung zum Start der Auftakt-Veranstaltung durch ZDF-Moderatorin Jessica Zahedi.

Eröffnungsrede von Rainer Hub, Vorsitzender des BBE-Sprecher*innenrats.

Staatsministerin Dr. Christiane Schenderlein und Rainer Hub, Vorsitzender des BBE-Sprecher*innenrats eröffnen die Woche des bürgerschaftlichen Engagements 2025 in der Landesvertretung NRW in Berlin.

Ernennung von Tim Kramer zum Engagement-Botschafter 2025 „Aktiv gegen Einsamkeit”. Von links nach rechts: Rainer Hub (Vorsitzender des BBE-Sprecher*innenrats), Tim Kramer (Engagement-Botschafter 2025, Vereint Bochum), Dr. Christiane Schenderlein (Staatsministerin für Sport und Ehrenamt).

Mazyar Rahmani und Xenia Kremer vom Über den Tellerrand e. V. stellen ihre Arbeit im Verein vor.

Jerôme Laubenthal von der Lebenshilfe St. Wendel und Alexander Westheide von der Aktion Mensch sprechen über junges Engagement, Inklusion und Vielfalt.

Prof. Dr. Claudia Neu von der Uni Göttingen und Mirjam Dierkes vom Kompetenznetz Einsamkeit auf dem Podium.

Staatsministerin Dr. Christiane Schenderlein unterhält sich mit BBE-Geschäftsführerin Dr. Lilian Schwalb und mit Rainer Hub und Olaf Ebert vom BBE-Sprecher*innenrat.

Gespräche am Markt der Gemeinsamkeiten.












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