
Engagement-Botschafterin für Demokratieentwicklung und Jugendengagement
„Wir müssen sicherstellen, dass alle Kinder Zugang zu digitaler Bildung haben. Das darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen.“
Nana Schön, Mentorin bei Jugend hackt, Berlin
„Wir müssen sicherstellen, dass alle Kinder Zugang zu digitaler Bildung haben. Das darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen.“
Nana Schön, Mentorin bei Jugend hackt, Berlin
Jugend hackt ist ein Programm zur Förderung des Programmiernachwuchses im deutschsprachigen Raum und Träger des Deutschen Engagementpreises 2017. „Mit Code die Welt verbessern“ ist sein Motto. Gemeinsam mit Gleichgesinnten tüfteln die Teilnehmer und Teilnehmerinnen mithilfe von Open Data an Prototypen, digitalen Werkzeugen und Konzepten für ihre Vision einer besseren Gesellschaft. Dabei werden sie von ehrenamtlichen, technisch versierten MentorInnen wie Nana Schön begleitet.
Durch den Kontakt zu den anderen Mentor*nnen stieß Nana außerdem auf die Coder Dojos, kostenlose Programmiernachmittage für Kinder, die sie seitdem regelmäßig in Berlin mitorganisiert.
Bei „Jugend hackt“ sorgt Nana Schön für die digitale Bildung Jugendlicher. Warum gerade das auch das politische Engagement der jungen Generation stärkt, erklärt sie im Interview – und was bei der Diskussion um digitale und politische Bildung häufig vergessen wird.
Frau Schön, müssen Jugendliche heutzutage Programmieren lernen?
Ein klassisches Jein. Es müssen Möglichkeiten angeboten werden und vor allem sollen alle den gleichen Zugang dazu haben – also möglichst in jeder Schule oder kostenfrei. Natürlich sollte es dabei nicht nur ums Programmieren gehen, sondern auch um Medienkompetenz, Datenschutz oder das Verstehen, wie Algorithmen funktionieren. Die Kinder lernen schließlich auch, wie eine Glühbirne funktioniert. Digitale Bildung sollte auf dem gleichen Niveau gelehrt werden.
Das ist jetzt zugegebenermaßen keine besonders neue oder umstrittene Forderung. Trotzdem hat man das Gefühl, es bewegt sich so gut wie nichts in diesem Bereich. Woran liegt das?
Ein Grundproblem ist natürlich der Föderalismus im Bildungssystem, man muss 16 Minister von etwas überzeugen, nicht nur einen. Das zweite große Problem: Es heißt immer, es sei kein Geld da. Die wenigsten Schulen haben WLAN, geschweige denn einen Systemadministrator. So etwas sollen Lehrer in ihrer Freizeit machen. Man lügt sich da viel in die eigene Tasche und sagt, ach, das wird schon alles irgendwie. Oder engagierte Einzelne und private Initiativen wie wir von Jugend hacktund andere werden da schon was machen.
Sie werben als „Engagement-Botschafterin 2017“ für das Ehrenamt und begleiten in der Woche für bürgerschaftliches Engagement den Themenschwerpunkt „Demokratieentwicklung und Jugendengagement“. Bei Jugend hackt arbeiten sie ja – wie der Name schon sagt – mit Jugendlichen. Inwiefern geht es dabei aber um das erste Thema, Demokratieentwicklung?
Der Claim und ausdrückliche Anspruch von uns ist „Mit Code die Welt verbessern“. Wir wollen keine Programmiersklaven entwickeln. Uns geht es darum, dass die Jugendlichen ihre eigenen Fähigkeiten nutzen, um die Gesellschaft und ihr eigenes Umfeld besser zu machen. Das zeigt sich auch in den Projekten, die sie bei uns umsetzen.
Zum Beispiel?
Eine Gruppe hat eine Willkommens-App für Flüchtlinge entwickelt. Andere haben einen Barcodescanner programmiert, der einem den CO2-Fußabdruck eines Produktes anzeigt. Ein drittes Beispiel ist eine Info-Plattform, auf der interessierte Jugendliche soziale Projekte finden, bei denen sie sich einbringen können. Das Beste an der Arbeit sind die Jugendlichen selbst: Es ist immer wieder faszinierend, wie kreativ und engagiert sie sind. Die können gar nicht schnell genug lernen, so begeistert sind sie. Da können wir als Erwachsene uns oft eine Scheibe von abschneiden.
Das widerspricht dem weitverbreiteten Klischee einer trägen, uninteressierten und politikverdrossenen jungen Generation. Wie bekommen Sie denn die Jugendlichen dazu, dieses Engagement zu zeigen?
Das Wichtigste ist, sie ernst zu nehmen, damit sie merken, sie können etwas machen, etwas bewirken. Dann identifizieren sie sich auch stärker mit Demokratie. Zudem haben sie mit digitalen Werkzeugen viel mehr Möglichkeiten, Dinge zu tun. Anders gesagt: Sie können heutzutage viel mehr machen als einen Kuchenbasar veranstalten. Innerhalb weniger Stunden kann man für ein Projekt eine Website und Profile in sozialen Netzwerken erstellen – und so letztlich viel schneller und besser für Aufmerksamkeit sorgen.
Sollte man die Jugendlichen aber nicht gerade einmal aus dem Digitalen herausholen, gerade wenn es um soziales Engagement geht?
Das passiert ganz automatisch, bestes Beispiel ist die angesprochene Flüchtlings-App: Das Erste was die Jugendlichen da gemacht haben war, den Kontakt zu Flüchtlingen zu suchen, sie nach ihren Bedürfnissen und Ansprüchen gefragt. Das Digitale zieht eher rein und macht den Einstieg in klassisches bürgerschaftliches Engagement einfacher. Außerdem schaffen neue Medien und das Internet völlig neue, bessere Möglichkeiten, sich einzubringen. Stichwort Bürgerbeteiligung: Bisher lag irgendwo im Rathaus ein umständlich formulierter Bebauungsplan aus, über den man womöglich sogar abstimmen konnte. Initiativen wie die Open Knowledge Foundation, die auch Jugend hackt organisiert, nutzen das Internet, um Politik viel einfacher zugänglich und transparenter zu machen.
Trotzdem ist ja nicht alles gut am und im Internet. Wir Deutschen haben da mitunter überzogene Bedenken, aber: Wie viel „digitaler Pessimismus“ ist für Sie angebracht?
Natürlich gibt es viele Sachen, wo es brennt: Hatespeech, „Fake News“, Mobbing. Genauso muss es eine digitale Privatsphäre geben. Generell ist es aber doch so: Das Internet ist inzwischen wie Strom aus der Steckdose, jeder nutzt es jederzeit. Wenn ich zum Beispiel in der politischen Bildung Gelder zusammenstreiche, Stellen abbaue und mich dann über so etwas wie „Fake News“ wundere – oder generell, dass die Leute keine Medienbildung haben – muss ich mir als Politik auch an die eigene Nase fassen. Bei Hatespeech beispielsweise ist es auch nicht so, dass das ein Problem ist, was mit dem Internet aufgekommen ist. Diese Gedanken und Ansichten hatten Menschen früher genauso. Jetzt sind sie einfach sichtbar, verstärken sich aber noch durch „Fake News“ und Filterblasen.
Was kann die Politik denn tun?
Was vielen – auch außerhalb der Politik – immer noch nicht wirklich klar ist, wie tief gespalten und sozial zweigeteilt unsere Gesellschaft ist. Aus dem Armutsbericht der Bundesregierung wurde beispielsweise eine Passage herausgestrichen, dass die Interessen von Ärmeren oft nicht aufgegriffen werden. Leider ist es oft genau so, auch und besonders wenn es um das Thema digitale Bildung geht. Viel zu oft richten sich die Angebote nur an die Kinder und Jugendliche, die diese Kompetenzen sowieso haben – oder kaum nötig. Also Akademiker-Kinder und Gymnasiasten. Hier können sich die Eltern auch eher mal einen Kurs neben der Schule leisten.
Wie kann man dem entgegenwirken?
Indem man digitale Bildung wirklich allen zugänglich macht, möglichst an allen Schulen, in jedem Fall aber kostenfrei. Deswegen engagiere ich mich auch in sogenannten Coder Dojos. Dort erhalten Jugendliche ab sieben Jahren Programmierkurse komplett kostenlos. In Berlin-Wedding integrieren wir das Projekt beispielsweise direkt in eine Hausaufgabenbetreuung, um den Zugang zu vereinfachen. Man muss sich klar machen, dass für viele Familien schon Kosten von zwei oder fünf Euro für so etwas zu viel sind.
Und das bringt auch etwas für die politische Bildung?
Man muss den Jugendlichen zuhören und ihnen so zeigen, dass sie etwas in der Gesellschaft bewegen können. Man muss sie von Anfang an mitbestimmen lassen. Da hilft auch ganz klassische Sozialarbeit, die auch immer stärker gekürzt wird. Wenn sie nicht sehen, dass die Gesellschaft für sie da ist, darf man sich auch nicht wundern, wenn sie sich mit 18 schon nicht mehr für Politik interessieren.
Elena Tzara hat sich zum Ziel gemacht, auf persönlicher Ebene Aufklärung, Umdenken und verantwortliches Handeln anzustoßen, darüber hinaus Menschen zu vernetzen und zum Austausch und Engagieren zu begeistern.
Engagement-Botschafter Samuel Drews nutzt mit seiner Initiative „Plastikfreie Stadt” das Thema Einweg-Plastik als Einfallstor, um Kommunen für Nachhaltigkeit zu sensibilisieren.
Botschafterin „Engagement für Bildung” Gülcin Bayraktar setzt sich mit ihrem Bildungsverein Tavir e. V. für Integration und Vielfalt in Ravensburg ein. Mit ihren Aktivitäten möchte sie ein Zeichen setzen.
Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE)
„Engagement macht stark!“
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Tel: (030) 166353-516